„Wir sind gerne Clowns“

Als John Lennon und Yoko Ono in Wien den "Bagism" propagierten, war die fassungslos Presse vor Ort. Folgender Beitrag erschien am 15. April im Branchenmagazin "Musikmarkt".

Roy Black hätte seine Freude gehabt: „Ganz in Weiß trafen Yoko Ono und ihr frisch angetrauter Beatle John Lennon nach etwas vorzeitig abgebrochenem Love-In im Amsterdamer Hilton-Hotel auf dem Flughafen Wien-Schwechat ein. Grund der Anreise ausgerechnet am 1. April: Die Premiere des TV-Streifens „Rape“ („Vergewaltigung“), den John und Yoko im Auftrag des Österreichischen Fernsehens gefertigt hatten. Was sich allerdings kurze Zeit später nach der Ankunft im Rahmen einer Pressekonferenz im altehrwürdigen Hotel Sacher tat, hätte dem guten, alten Kaiser Franz Joseph zweifellos ein erstauntes „Ja, dürfen’s denn das?“ entlockt.

Wo vorher noch die Gemälde alter Meister angebracht waren und auf geheimes Kommando hin schließlich sorgfältig entfernt wurden, hingen und standen nun „Werke“, die das Paar aus Amsterdam mitgebracht oder gar erst im Flugzeug gefertigt hatte. Die Inschriften: „Stay In Bed!“, „Grow Your Hair!“, „It’s Spring!“, „I Love John“ und „I Love Yoko“. Bevor die Pressekonferenz startete, verkündete Hans Boskampf, Betreuer des Paares: „Was jetzt kommt, ist eine ganz spezielle Sache. Das ist neu, weltweit! Im Amsterdamer Hotelzimmer hatten wir mehr als 600 Presseleute, wie viel werden in Wien kommen – kommt die ‚Prawda‘ auch?“

Sodann starteten Yoko und John ihren speziellen „Gag“: Sie hüllten sich in ein weißes Leinentuch und präsentierten sich den Journalisten auf einem Tisch sitzend, um durch eben dieses Leinentuch mitzuteilen, was ihnen neuerdings am Herzen zu liegen scheint: „Bagism“ (deutsch etwa: Sackkult!), „Haar-Frieden“, „Bett-Frieden“ und „Totale Kommunikation“…

Wann kommen sie denn wieder unter diesem Leintuch hervor?

Lennon: Wenn die Pressekonferenz vorbei ist.

Was machen sie denn unter diesem Tuch?

Lennon: Das ist ein Friedensprotest!

Für oder gegen den Frieden?

Lennon: Für den Frieden!

Wie haben sie das Amsterdamer Ding genannt und wie würden sie das hier nennen? Lennon: Das in Amsterdam war das Amsterdamer Ding und das heißt das Wiener Ding.

Was ist es noch?

Lennon: Das ist die totale Kommunikation in einem Sack. Es ist eine Zeiterscheinung, dass Menschen nicht mehr miteinander in Kontakt treten können. Bagism ist eine Möglichkeit für echte Kommunikation. Man muss bei echter Kommunikation keine Gesichter vor sich haben, die stören nur.

Sie sind gegen die Konventionen, trotzdem haben Sie einen so konventionellen, bürgerlichen Bund wie die Ehe geschlossen. Weshalb?

Ono: Haha!

Lennon: Wir haben mittlerweile herausgefunden, dass an manch Bürgerlichem auch etwas Gutes ist. Etwa an der Ehe. Außerdem war es für uns furchtbar romantisch, so hinzugehen und richtig zu heiraten, wie man das anno dazumal gemacht hat.

Und wann kommen sie nun wieder unter dem Leinentuch hervor?

Lennon: Wenn die Pressekonferenz vorbei ist.

Was denken sie über den Bestand Ihrer Ehe?

Lennon: Ich habe nicht einmal eine Ahnung, was morgen sein wird.

Aber: Ich liebe sie, ich liebe sie, ich liebe sie.

Ono: Ich liebe ihn.

Wie man hört, wollen Sie, falls es Ihnen gelungen ist, in Amsterdam ein Baby zu zeugen, dieses Amsterdam nennen. Jetzt haben Sie noch eine Nacht in Wien vor sich….

Lennon: Vielleicht wird es Wien heißen….

Ono: Hübsch.

Kommen Sie sich denn nicht wie Clowns vor?

Lennon: Wir sind gerne Clowns, wenn wir es sein müssen. Friede ist um uns, und wir wollen, dass alle dem Frieden eine Chance geben. Niemand tut doch etwas. Wann kommen Sie denn nun unter diesem Leinentuch wieder hervor?

Lennon: Wenn die Pressekonferenz vorbei ist.

Ist es nicht heiß?

Lennon: 0 ja, es wird langsam heiß!

Wenn Sie dem Papst schreiben würden: Was würden Sie ihm schreiben?

Lennon: Frieden….

Was halten Sie von der katholischen Kirche?

Lennon: So wenig wie von anderen Religionen. Die Basis stimmt vielleicht, aber an die denkt ja heute niemand mehr.

Was denken Sie über die Königin von England?

Lennon: Ich denke nur wenig an sie. Wir haben sie übertroffen. Wir haben mehr für den Frieden getan, als sie jemals wird tun können.

Womit?

Lennon: Im Bett und im Sack.

Der Sack ist doch nur für die „Totale Kommunikation“?

Lennon: Ja, und die ist Voraussetzung für den Frieden.

Wann kommen Sie denn nun wieder unter dem Leinentuch hervor?

Lennon: Wenn die Pressekonferenz vorbei ist.

Mr. Lennon, sind Sie wirklich da drunter? Beweisen Sie es!

Lennon: Ich weiß, dass ich es bin, ich brauche es nicht zu beweisen. Vielleicht bin ich aber auch nur Lennons Geist.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie in Wien umsonst auftreten würden, wenn man Ihnen die Staatsoper als Auftrittsmöglichkeit zur Verfügung stellt.

Lennon: Ich habe niemals gesagt, dass ich umsonst auftrete.

Ist ihnen Geld also wichtig?

Lennon: Das habe ich niemals behauptet, ich bin auch schon umsonst aufgetreten – im Amsterdamer Hilton.

Wie waren die Betten dort?

Lennon: Wie alle Hilton-Betten.

Wann kommen Sie wieder unter dem Leinentuch hervor?

Lennon: Wenn die Pressekonferenz vorbei ist.

Warum tragen Sie weiße Leinenschuhe?

Lennon: Weiß, weil es die Lieblingsfarbe Yokos ist. Und Leinen, weil ich mit Leder und dem Tod der Lederspender nichts mehr zu tun haben will.

Was sagt Ihre Mutter denn zu all dem, was Sie so treiben?

Lennon: Sie sagt immer: „Sag einmal, was machst du mit deinen Haaren?“ oder „Sag, John, stimmt das, was die Zeitungen über dich schreiben?“

Nachdem das Paar derlei Fragen bis zur Erschöpfung beantwortet hatte, gab es gemeinsam noch ein Liedchen von sich und ging dann, halb im Sack, in Richtung Hotelzimmer ab. Dazu der Kommentar eines Wieners zur „totalen Kommunikation“, abgegeben in bestem Lübke-Englisch: „Total beside!“ – „total daneben!“ Die

Reaktion auf den TV-Film von Yoko und John war auch nach der Fernsehausstrahlung nicht unbedingt begeistert. Kritiker

und Publikum gaben zum größten Teil negative Kommentare ab. Doch das Paar zeigte sich davon wenig beeindruckt. Als sich die beiden am nächsten Tag, wie bei der Ankunft zweistimmig den Donauwalzer intonierend, auf dem Schwechater Flughafen wieder verabschiedeten, legten sie über ihren Film folgendes Urteil ab:

Ono: ‚Mir gefiel er ausgezeichnet!

Lennon: ‚Mir gefiel er ausgezeichnet!‘

(Vielen Dank an den „Musikmarkt“ für die freundliche Genehmigung!)

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