Wolfgang Doebeling assistiert als advocatus diaboli dem Gesinnungsethiker Neil Young im Kampf gegen Zensur und VH-1

Neil Young, der alte Grander, hat mal wieder ein Haar in der Suppe gefunden. So what else is new? Okay, man könnte den notorischen Gutmenschen einfach ins Leere laufen lassen, ihn ignorieren. Hat bisher ja ganz gut funktionert. Ist ohnehin fragwürdig, ob der Mann in seinem Alter noch lernfähig ist. Einer, der drei Jahre vor dem neuen Millenium noch in Kategorien wie „richtig“ und „falsch“ denkt, in Turbo-Zeiten wie diesen! Ich meine, selbst die Sozis haben gelernt, Effizienz zu buchstabieren. Da muß es doch irgend jemanden geben, der Neil Young mal die Bedeutung des Wörtchens „Entertainment“ verklickert. The industry of human happiness, my ass.

Schon vor zehn Jahren tönte er ungefragt: „ain’t singin‘ for Pepsi, ain’t singin‘ for Coke“, ließ es aber keineswegs dabei bewenden, sondern reimte dreist: „makes me look like a joke“. Kam gar nicht gut an bei seinen Kollegen. Wofür hält sich der kanadische Kauz eigentlich, das personifizierte Gewissen des Rock’n’Roll? Derlei moralinsaures Gewäsch schürt bloß Sozialneid bei naiven Fans, die wie ihr Idol nicht begreifen wollen, daß Werbung das Schmiermittel ist für Erfolg schlechthin, nicht nur im Rockzirkus, sondern überall. Auch im Sport Außer Neil Young scheint auch keiner Probleme damit zu haben, nebenbei sein Scherflein beizutragen zum Gedeih des Ganzen, zur gesellschaftlichen Synergie. Sogar Balltreter Jürgen Klinsmann, altertümlich-altruistischer Gesinnung selbst bekanntermaßen nicht ganz unverdächtig, findet deutliche Worte zu Youngs selbstgefälliger Schelte: Ja gut, der wo so etwas sagt, kann ich mit Sicherheit nicht für ernst nehmen, sag ich mal.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Als nächstes nahm der rigoristische Barde eine fabelhafte Neuerung aufs Korn, der das internationale Musikgeschäft einen Boom ohnegleichen zu verdanken hat. Die Compact Disc, mäkelte Young, sei ein Irrtum. Der digitale Tonträger vernichte Obertöne, lasse Wärme, Kompaktheit und Vibrationen vermissen und stürze uns ins tonale Verderben. Dann faselte er noch etwas von einem dunklen Zeitalter der Sound-Reproduktion und prophezeite, daß die Finsternis bis zum Jahre 2010 dauern werde. Ach ja? Und was ist mit den kolossalen Vorteilen, die uns diese ingeniöse neue Industrienorm beschert hat? Kann man die überholten Vinylplatten etwa in die Gesäßtasche stecken, kann man sie programmieren oder im Auto abspielen, kann man sie fallenlassen, darauf herumtrampeln und dann abspielen, als sei nichts gewesen? Ha! Doch selbst die besten Argumente müssen abprallen von einem Mann, für den Modernität ein Fremdwort ist Schließlich brachte der Maschinenstürmer auch noch sein eigenes Label gegen sich auf, als er seine Fans aufforderte, die für viel Geld überarbeiteten Young-Alben nicht auf CD zu kaufen, mit der fadenscheinigen Begründung, das sei nicht mehr seine Musik, sondern nur Einsen und Nullen. Ein starkes Stück. Wie ein tollwütiger Hund, der die Hand beißt, die ihn füttert. Traurig.

Wie auch seine neuesten, zum Scheitern verurteilten Versuche, Sand ins Getriebe der Musikindustrie zu streuen. Diesmal eifert Young gegen VH-1, den seriöseren älteren Bruder von MTV. Er sei sehr stolz, schreibt der Ewiggestrige in einem Offenen Brief, als Mitglied von Buffalo Springfield in die Rock’n’Roll Hall Of Farne eingeführt zu werden. Soweit, so gut. Frühei; so Ybung weiter, sei die Aufnahme in die Ruhmeshalle des Rock’n’Roll auch eine ehrenwerte Angelegenheit gewesen, und er erinnere sich gern daran, wie er selbst Laudatios hielt auf Woody Guthrie, die Everly Brothers und die Jimi Hendrix Experience. In würdevollem, weil privatem Rahmen habe man gefeiert, habe andächtig Phil Spector gelauscht und Bob Dylan. Mike Love hatte betrunken die Beatles heruntergeputzt und in einem Anflug von Größenwahn Mick Jagger zum Sängerwettstreit herausgefordert. „We came to celebrate and be celebrated“, schwelgt Young nostalgisch, „the camaraderie was real“ Oh je, das ist es wieder: elf Freunde müßt ihr sein. Good grief.

Inzwischen habe sich der Charakter der Veranstaltung ins Gegenteil verkehrt, klagt der Veteran verdrießlich. „Today it is a VH-1 TV show, edited for television and the adult contemporary market served by VH-1, chea pened forever.“ Und an einer solchen Charade könne und wolle er sich nicht beteiligen, weshalb er seiner Einführung in die Rock-Walhalla leider fernbleiben müsse. Da bleibt einem die Spucke weg. Ein ernstgemeintes Plädoyer wider die TV-Vermarktung einer Musikveranstaltung! In den dynamischen Neunzigern! Weil der VH-1-Regisseur bestimme, was ausgestrahlt wird, sei es bedeutungslos, was überhaupt gesprochen wird. Zensur, überteuerte Tickets und die allein vom krassen Kommerzdenken bestimmte VH-1-Politik ließen ihm keine andere Wahl, so Young: „It has nothing to do with the spirit of Rock and Roll, it has everything to do with making money.“

You must be joking. Weltverbesserer, unverbesserlicher.

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