Wolfgang Doebeling über die Unvereinbarkeit von Rockmusik und Rassismus sowie einige schändliche Entgleisungen

Rechtsradikale Rockmusik ist ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich, ein schwarzer Schimmel. Was zum Teufel geht in den Köpfen von Leuten vor, die ihre rassistischen Parolen ausgerechnet mit Klängen unterlegen, deren Ursprung die Verquickung schwarzer und weißer Musiktraditionen ist, die ihren stupiden Haß auf alles Fremde mit völlig undeutschem Krach und Karacho hinausbrüllen? Die Antwort ist: natürlich nichts.

Eine gähnende Leere herrscht in diesen Hirnen, blanke Idiotie grinst aus den Visagen. Welche Musik er am liebsten höre, wird ein 17jähriger Cottbuser, der sich auf seine Glatze das Wort „Glatze“ tätowiert hat, gefragt. Der arme Kerl glotzt aus der Wäsche, als habe er Mühe, den eigenen Namen zu buchstabieren, hebt die Bierdose und verkündet: „Störkraft, Kraftschlag und Prinz Basta.“ Prince Buster, gibt die Interviewerin zu bedenken, sei doch aber schwarz wie Kohle. „Na und“, preßt der peinlich berührte, jugendliche Arier durch die dünnen Lippen und haßt sich noch mehr ab zuvor.

Das Geschäft mit rechtsradikaler Rockmusik boomt, berichtet „Der Spiegel“ und verursacht mit den fleißig zusammengetragenen Belegen und Beispielen Brechreiz. Ist lange her, seit das sonst in Sachen Popmusik eher zu Desinformation und blasiertem Tonfall neigende Blatt etwas aufgerührt hat, das von (wenn auch trauriger) Relevanz ist. Mit der letzten großen investigativen Enthüllungs-Story hatte man sich ja böse in die Nesseln gesetzt und bis auf die Knochen blamiert, als die Stones „geoutet“ wurden und man es dann nicht einmal für nötig befand, sich nach Auffliegen des Schwindels bei Band und Fans zu entschuldigen. Schäbig.

Doch ich schweife ab. Nicht „Der Spiegel“ ist das Thema, sondern Rock und Rassismus. Evident ist, daß eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem geistig und moralisch depravierten Gelichter nichts bringt. Obsolet. Ich meine, wie viele Neonazis lesen diese Zeilen? Was nicht heißt, es gäbe keine Schnittmenge und somit keinen Grund, auf Schandtaten einzugehen und an Entgleisungen zu erinnern, die sich nicht wenige unserer Helden haben zuschuldekommen lassen. Einiges ist lange her, nichts davon verjährt.

Die bloßen Geschmacklosigkeiten sind am leichtesten zu vergessen, schon weil es so viele sind. Gedankenlosigkeit spielt hier eine entscheidende Rolle, die Lust an der Provokation an sich, von Brian Jones‚ obszönem Nazi-Uniform-Gag bis zu Siouxsies spätpubertärem Einfall, mit dem Schockpotential von Swastikas hausieren zu gehen. In dieselbe Kerbe haut David Bowies Hitlergruß in der Victoria Station oder der inflationäre Einsatz von Third-Reich-Symbolik in der amerikanischen Hardcore-Szene der späten 80er Jahre.

Problematischer war Morrisseys verharmlosende Rhetorik zur Zielsetzung der National Front und ihrer Sympathisanten. Häßliche braune Flecken haben auch die Biographien von Rod Stewart und Eric Clapton, seit sie mit einschlägigen Äußerungen aus der Rolle fielen, Rod The Mod mit rassistischen Sprüchen in einer Kneipe, olle Clapper mit seiner Unterstützung für den Keep-Britain-white-Ultra Enoch Powell. Unbegreiflich, kommen doch beide vom Blues. Clapton hat sich inzwischen von seinem politischen Fehltritt distanziert, Stewart hatte die billigste und fadenscheinigste Entschuldigung der Welt: Er war betrunken. In nicht wenigen Pubs hat man sich darob sicher vor Lachen ausgeschüttet Der gute Roddy, what a lad.

Ebenfalls alkoholinduziert war der berüchtigte Blackout von Elvis Costello in Columbus, Ohio, eine für ihn bis heute traumatische Geschichte. Nachts, in der Bar des Holiday Inn, geschah das für ihn und uns Unfaßliche. Elvis gerät mit Stephen Stills und Bonnie Bramlett aneinander, die Atmosphäre ist aufgeladen. Die Tour läuft mies, Elvis ist so frustiert wie abgefüllt und bricht einen Streit vom Zaun mit den kalifornischen Alt-Rockern, in dessen Verlauf er sein Gastland und dessen Bewohner unflätig beschimpft. Amerika sei nichts als „just a bunch of flea-bitten greasers and niggers“. Stills setzt sich entrüstet ab, aber Bramlett bleibt und gibt Contra. Der Wortwechsel eskaliert. Costello nennt James Brown einen Jive-Ass nigger“, Ray Charles einen „ignorant blind nigger“, und als sich Bonnie Bramlett vor ihm aufbaut und ihn auffordert, diese Ungeheuerlichkeiten zu wiederholen, krächzt Costello, der sich kaum noch auf den Beinen halten kann: „Fuck Ray Charles, fuck niggers and fuck you.“ Die so Beleidigte langt kräftig zu, und klein Elvis fliegt in hohem Bogen in die Ecke. Eine lustige Geschichte eigentlich, wären die Invektive nicht rassistischer Natur gewesen. Es sei ihm lediglich um den Affront gegangen, hat Costello später wenig überzeugend versichert. A drunken mind reveals what a sober wind concealsi Hier wohl nicht, aber etwas bleibt immer hängen. Der Showdown im Holiday Inn trug sich vor 18 Jahren zu.

Es gibt Idiotien, über die wächst kein Gras. Gut zu wissen.

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