Woodstock

Die Doors verzichteten 1969 auf Woodstock, weil Jim Morrison das Peace-&-Love-Gelaber der Hippies auf die Nerven ging. Heute ist Gitarrist Robbie Krieger dankbar für die zweite Chance: Zusammen mit Creed gibt er bei „Woodstock ’99“ den „Roadhouse Blues“ und „Riders On The Stonn“ zum Besten. Am Sonntag, nach drei Tagen in der Sonne und ein paar Dutzend Bands, ist dann Schhiss mit der friedlichenJubüaunis-Stimmung: Autos und Wohnwagen werden wahlweise auf den Kopf gestellt oder angezündet, Container geplündert und Lautsprechertürme umgeworfen.

Eine Katastrophe ist dieses Woodstock freilich nicht. Einer bricht sich das Bein, ein paar werden festgenommen. Das ist – bei mehr als 200 000 Besuchern nicht gerade die Bilanz eines verheerenden Krawallwochenendes. Verheerend ist nur die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Ausgerechnet auf der „GrifEss Air Force Base“ ein Festival für den Frieden zu veranstalten, mag eine putzige Idee sein, aber das Gelände in Rome, New York, stellt sich als denkbar ungeeignet heraus: kein Meter Schatten, viel Betonboden und Stacheldraht, dazu allerdings Stände wie in den 60er Jahren, mit Hippie-Klamotten, Henna-Tattoos, Bongs und anderem Hanf-Kram. Man kann eine Anti-Schusswaffen-Petition unterschreiben – oder sich um die „Woodstock Platinum MasterCard“ bewerben. Ein Bart- ____ träger mit Stirnband und Batik-Shirt teilt Flyer aus – der Ruf nach einer Revolution? Nein, „Wal-Mart Supercenter welcomes Woodstock 99“ steht darauf.

Diesmal sind die sanften Töne eindeutig in der Minderzahl: Jamiroquai langweilt am Freitag, The Offspring sind auch nicht so richtig revolutionär. Bei Buckcherry kümmern sich die Zuschauer schon mehr um die nackten Frauen auf den Videoleinwänden als um die Musik. Dann brüllt Korn-Sänger Jonadian Davis, das Publikum grölt, aber es geht ausnahmsweise nicht darum, Brüste zu zeigen, sondern Wut Korn sind immer wütend, ihr Metal ist immer brachial, und sie pfeifen darauf, ob das dem Anlass angemessen ist oder nicht Da kommen Bush ab Abschlussband gerade recht Gavin Rossdale, jetzt in blond, versucht die Massen mit Sex-Appeal zu besänftigen.

Am Sonnabend explodiert die Stimmung bei Limp Bizkit. Die Menge pogt, die Sonne brennt, und man hört Frontman Fred Durst rufen: „Menschen werden verletzt! Lasst das nicht geschehen! Aber andererseits seid Dir motherfuckers bei Alanis Morissette zu lasch gewesen!“ Auch eine Art von Friedensstiftung. Nun wäre es natürlich ein Leichtes, die negative Energie der Metalheads für die Ausschreitungen verantwortlich zu machen. Moby trat prompt in diese Falle. Er beschuldigte die Organisatoren, die Bizkit und Kid Rock gebucht hatten, für das Chaos: „Wer solche Bands engagiert, weiß, dass da nur Macho-Idioten kommen, die Ärger wollen.“ Dabei feiern auch Hunderte von ach so fiesen Metalfans ganz friedlich mit den Chemical Brothers und Fatboy Slim, versuchen sogar zu tanzen.

Das Hauptproblem in Woodstock ist wohl der Kampf zwischen Mensch und Natur: 32 Grad im Schatten, den es nicht gibt, zuwenig Wasser und keine Sonnencreme. Dafür mehr als genug Alkohol, kaum Ruhepausen und endlos lange Wege zwischen den Bühnen und Zeltplätzen. 50 000 Fans fahren am Sonntag vorsichtshalber schon mal nach Hause, bevor sich die Haut komplett vom Körper löst – und bevor Anthony Kiedis von den Red Hot Chili Peppers beim Finale mit Jimi Hendrix‘ JFire“ erkennt: „Heilige Scheiße, das sieht ja aus wie bei ApocalypseNow.“ Flaschen (nicht leer) fliegen durch die Gegend, Müll auch, sofern er nicht gleich angezündet wird. 700 Polizisten in Kampfuniform rücken an. Kein würdiges Ende für „Woodstock ’99“, aber man hätte es ahnen können. Dass Rev. AI Green seinen Auftritt für Sonntag Morgen abgesagt hatte, war kein gutes Zeichen. Kid Rock zog das Fazit: „Ich suchte Jesus dort draußen, aber alles, was ich sah, waren Pullen und Titten.“

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