Zu gefährlich für New York

Xiu Xiu

New York, Bowery Ballroom

„Beat beat me to death I said it/ Beat beat me to death!“ Konnte auf „Dear God, I Hate Myself“ melancholischer Synthie-Pop noch Jamie Stewarts Depressionen abmildern, geben sich heute Nacht Songs wie „Gray Death“ als autoaggressive Schübe eines leidenden Ichs zu erkennen. Ein verzweifelter Furor macht sich in Lärmschocks Luft, mit denen Stewart und Angela Seo die Xiu-Xiu-Songs quälen. Er begräbt mit kreischenden Störgeräuschen alles Harmonische unter sich, lässt alle Hoffnung fahren.

Es ist kurz nach Mitternacht, als Stewart und Seo auf die dunkle Bühne kommen. Der Ballroom ist zwar ausverkauft, aber viele Besucher sind schon weg. Sie sind nach Merrill Garbus‘ Auftritt im Vorprogramm gegangen. Diese ist mit ihrem Projekt Tune-Yards der neue Liebling der New Yorker Indie-Szene. Garbus‘ Echtzeit-Loops aus Schlaginstrumenten, Ukulele und ihrer Stimme sind zwar skurril, aber nicht so furchteinflößend wie der Avantgarde-Pop von Xiu Xiu, der selbst für New York zu spröde, zu hermetisch, zu gefährlich ist, um zum Massenphänomen zu taugen.

Wer aus dem großartigen „Dear God, I Hate Myself“ nicht heraushörte, dass sich unter Songs wie „Chocolate Makes You Happy“ existenzielle Abgründe auftun, der erlebt im ehemaligen Ballsaal ein böses Erwachen. Aufgeschreckt von einem Toben oder Quäken, das immer wieder die zarten Synth-Sounds übertönt, die Stewart auf einem Nintendo DS einspielt. Eine verstörend-intensive Stunde lang sagt der Mann aus Kalifornien kein Wort, würdigt das Publikum keines Blickes. Erst bevor eine hysterische Version von „Boy Soprano“ das Konzert beendet, sagt Stewart, dass es etwas Besonderes für ihn sei, in dieser Stadt zu spielen, in der die meisten seiner Freunde leben.

Irgendwie ist man doch erleichtert, dass das Konzert aus ist – und dass dieser Mann im wirklichen Leben Freunde hat. gunther reinhardt

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