Bilderbuch live in Berlin: Alles Gold, was glänzt

Bilderbuch haben am Donnerstag (10. Dezember) auf ihrer „Schick Schock“-Tour in der Berliner Columbiahalle gespielt – mit ausufernder Energie, Dekadenz und Kitsch am richtigen Fleck

Gold. Irgendwas muss dran sein an dem Zeug, das Menschen seit Jahrtausenden begeistert und so teuer ist. Am Donnerstag (10. Dezember) haben sich über 3.000 Menschen in der fast ausverkauften C-Halle in Berlin versammelt, um den Wienern von Bilderbuch auf ihrer „Schick Schock“-Tour zu lauschen – und erst einmal von einem riesigen goldenen Vorhang empfangen zu werden. Hinter diesem deutet sich ein Konzert an, das den Namen „Schick Schock“ verdient hat.

Ein kurzes Gitarrensolo erklingt, der Schatten des Gitarristen Michael Krammer wird hinter den Quadratmetern voll Gold sichtbar, und die restliche Band kommt hinzu. Zusammen spielen Maurice Ernst, Peter Horazdovsky und Philipp Scheibl mit „Willkommen im Dschungel“, bei dem alles in grünes Licht getaucht ist, den ersten Song. Und der zeigt, dass die Wiener nicht ins Kaffeehaus, sondern auf einen Live-Auftritt geladen haben, bei dem es an Bombast, Opulenz und aristokratischen Rock-Gesten nicht mangelt. Barock-Pop, könnte man sagen. Hätte Louis XIV im 17. Jahrhundert schon eine E-Gitarre besessen, er hätte es nicht besser machen können.

Große Gesten und ganz viel „Sweetness“

Bei Stücken wie „Barry Manilow“ erkennt man die größte Stärke der Band, mit der sie den ganzen Abend bestimmen: Sie können Energie voranbringen und die Massen begeistern – auch wenn die Musik selten im Stil eines klassischen Rock-Songs festhängt. Zusammen mit den Gesten des Sängers Maurice Ernst, der das Publikum an diesem Abend gekonnt um den Finger wickelt, gibt es kaum Abrisse und immer wieder Überraschungen in dem Live-Auftritt, der dramaturgisch aufgebaut ist wie ein Theaterstück. In „Spliff“ fordern die Musiker ihre „kriminellen Freunde“ aus Berlin auf, unartig zu sein und dem Kiffen an diesem Abend freien Lauf zu lassen, „Gibraltar“ beginnt zart und weitet sich zu epischen Gitarrenwelten aus, die immer stärker eskapieren und ausbrechen. Dem Publikum wird einfach keine Verschnaufpause gegönnt – wegen Noise-Eskapaden, geschundener Gitarren und gekonnt eingesetzter musikalischer Dynamik. Wenn Maurice Ernst ins Publikum schreit: „Berlin, wo ist eure Sweetness“, bleiben an diesem Abend keine Fragen offen.

Bei allen Songs dieses gut anderthalbstündigen Konzerts, die mit „Calypso“, „Karibische Träume“ und „Kopf Ab“ auch von den vorherigen und weit weniger erfolgreichen Alben stammen, zeigen Bilderbuch noch etwas Weiteres, das sie live umsetzen können: Details. Da sitzt jedes Kreischen, Stöhnen und jede Bewegung am richtigen Platz – vielleicht, weil gerade das Album „Schick Schock“ schon fast perfekt produziert ist. Umsetzen können Bilderbuch das live alle Male. Es hilft aber auch für die ausgelassene Stimmung, dass das Berliner Publikum wirklich in diese Band verliebt zu sein scheint ist. Mit Gastauftritten von Beatsteaks-Sänger Arnim Teutoburg-Weiß bei „Plansch“ und dem energiegeladenen Rap-Part von Kœnig im Stück „Soft Drink“, gab es an diesem Abend gekonnte und überraschende Momente, die Bilderbuch nur umso mehr für die eigene Energie nutzen können, um die Massen noch weiter zu begeistern. Und wenn ein paar Mädchen auf den Schultern ihrer Freunde damit anfangen, sich bis auf den BH auszuziehen, dann zeigt das nur, dass sie die geforderte „Sweetness“, den Groove der Band und deren Sexappeal begriffen haben. Berlin kann das halt: Schock und Schick zusammenbringen.

Am Ende bedankt sich Maurice Ernst bei Berlin: So ein großes Deutschlandkonzert habe die Band noch nie gespielt. Eine Zugabe brauchen sie nicht, haben sie auch bis zum letzten Stück „OM“ das Pop-Pulver verschossen, so wie es der Dekadenz gebührt. Und wie die Scheinwerfer-Lichter langsam erlöschen, tönt Simply Red mit „If You Don’t Know Me By Now“ aus den Boxen. Bilderbuch haben einfach den Kitsch am richtigen Fleck und auf ihrer „Schick Schock“-Tour-Odyssee bisher nichts an Energie und Aufrichtigkeit verloren. Da möchte man ihnen fast wünschen: Lasst alles Gold bleiben, was glänzt. Denn bei dieser jungen Band funkelt gerade Einiges.

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