Die Sphinx, der Übermensch, der Sternenmann, der am Himmel wartet. David Bowies Mystik ist nicht nur ein postmoderner Scherz – er glaubte wirklich daran.

Explizit über Religion gesungen hat Bowie selten, in "Loving The Alien" und "A Better Future" zum Beispiel. Weil im Weltbild des hoch belesenen Künstlers viele Inspirationen und Verwirrungen zusammenfließen, stecken Hinweise auf Glauben und Aberglauben oft zwischen den Zeilen.

Die Anekdote mit Derek Jarman lässt sich nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen, aber sie klingt wahrscheinlich. 1984 jedenfalls soll Bowie ein privates Treffen mit dem Regisseur gehabt haben, weil Jarman ihn als Hauptdarsteller für seinen Film „Neutron“ angefragt hatte. Alsder Star während des Gesprächs ein Bild an der Wand entdeckte, das ein magisches Diagramm des Hofastrologen von Königin Elisabeth I. zeigte, wurde er sichtlich nervös, entschuldigte sich und ging. 20 Minuten später klingelte der Chauffeur noch einmal: Man habe etwas vergessen. Sorgfältig sortierte der Dienstmann die von Bowie gerauchten Zigarettenkippen aus Jarmans Mülleimer und ließ den Regisseur kopfschüttelnd zurück.

Der Glaube, man könne mit Körpersaft-Proben eines Menschen und etwas schwungvoller schwarzer Magie einen Bannfluch über ihn aussprechen, findet sich in Voodoo-Ritualen und den Schriften von Aleister Crowley, dem hipsten Lieblings-Okkultisten der britischen Pop-Szene. Dass Bowie für Spiritualismus aller Art empfänglich ist, weiß man: Schon mit Anfang 20 quartierte er sich in einem schottischen Buddhisten-Kloster ein, verliebte sich in alles Japanische und Tibetische. Dann, abhängig davon, was man als spirituell durchgehen lässt: Nietzsche, Crowley, Kabbala (heute bei Madonna, Annie Lennox und anderen Gelangweilten beliebt – da war Bowie tatsächlich Pionier!), Gnostik, wieder Buddha, nureine Auswahl. In Interviews hat er oft selbst darüber gelacht und seine persönliche Hingabe heruntergespielt. Oder , zumindest relativiert. „Nein, bei schwarzen Messen war ich nie“, sagte er 1997 dem „NME“. „Ich habe nur ganz normale, altmodische Magie praktiziert.“

Aber dass Bowie sich mit „Mr. Crowley“ und anderen okkulten Traditionen besser auskennt als Ozzy ; Osbourne, verraten viele Hinweise in Songs und Designs, die für Uneingeweihte nicht immer zu verstehen sind. Frühe Songs wie „The Supermen“, „Oh! You Pretty Things“ („You gotta make way for the Homo Superior“) und „Quicksand“ (in dem Crowley ebenso namentlich genannt wird wie der Kult des Golden Dawn und Heinrich Himmler) illustrieren den Mischmasch aus unterschiedlichen Herrenmenschen-Ideologien, mit denen Bowie zumindest flirtete. Die „Ziggy Stardust“-Geschichte (Sternenwesen suchen sich über den Körper eines Rockstars den Eintritt zur Erde) kann man als gnostische Parabel lesen.

Richtig kryptisch wird es im Song „Station To Station“ vom 1976. Obwohl Bowie damals durch viele Bahnhöfe kam, weil er prinzipiell keine Flugzeuge betrat, sind mit den stations auch die Knoten des Lebensbaumes der Kabbala gemeint. Auf einem Foto aus der Zeit sieht man, wie er das Diagramm auf den Boden malt, und die Textzeile „Here we are, one magical movement from Kether to Malkuth“ beschreibt, simpel zusammengefasst, das Prinzip: „Kether“ ist die Sphäre des Göttlichen, „Malkuth“ die Welt des irdischen Lebens, dazwischen liegen Baumknospen wie Weisheit, Schönheit, Gnade. Bowie scheint sich von der Erkenntnis allerdings keineswegs befreit zu fühlen, eher eingesperrt. Der britische Journalist lan MacDonald hat in seinem Buch „The People’s Music“ den Umzug nach Berlin auch als geistlichen Befreiungsschlag interpretiert, als Bowies Rückkehr in ein Leben ohne mystische Baumlandschaften.

Allerdings: Die Jarman-Episode spielt im Jahr 1984. Bei der „Glass Spider“-Tour 1987 soll Bowie auf der Bühne Tarot-Karten nachgestellt haben, und einige der okkulten Songs tauchten in den Neunzigern wieder in den Setlists auf. Die pure „Reality“ reicht ihm noch immer nicht.

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