The Voice: Nun battelt mal schön!

Vor dem Finale von "The Voice Of Germany": Wie Casting auch ohne Vorführen funktioniert. Arne Willander widmet sich in seiner Kolumne noch einmal der TV-Show "The Voice".

Die zwei erigierten Finger mit dem Mikrofon werden zum Signum für einen Erfolg der Gerechtigkeit. Denn erstens kommen bei „The Voice Of Germany“ jene Sänger zum Zuge, die aufgrund widriger Umstände, mangelnder Kampfbereitschaft, beruflicher Zwänge oder schicksalhafter Fährnisse bisher an einer Karriere gescheitert sind. Zweitens fehlt bei diesem Casting die Häme von „Deutschland sucht den Superstar“, die Brutalität von „Popstars“ und die Arroganz von „The X Factor“: Geht es sonst um die Eitelkeit der Juroren und die zirkusartige Vorführung von offenkundig ungeeigneten Neugierigen, so erlauben sich die Juroren von „The Voice“ zwar kritische Bemerkungen (und bestrafen ja auch durch Nicht-Umdrehen ihres Sessels), vermeiden aber allen beleidigenden Spott. Drittens haben die Kandidaten – sofern sich mehr als ein Juror für sie entschieden hat – die Möglichkeit, ihrerseits unter den interessierten Mentoren auszuwählen.

„The Voice Of Germany“ versammelte bei der dritten Show am vergangene Donnerstag etwa 4,5 Millionen Zuschauer, darunter 3,5 Millionen in der sogenannten werberelevanten Zielgruppe. Zwar war „Das unglaubliche Quiz der Tiere“ im Ersten noch stärker, aber natürlich mit älteren Semestern im Publikum. Obwohl „Voice“ zwischen Sat.1 und Pro7 wechselt, zeichnet sich ein Erfolg ab, der nicht auf dem Rücken der Protagonisten ausgetragen wird. Bei allen Einwänden gegen die Vermarktung der Teilnehmer: Man kann nicht behaupten, dass es den Juroren nicht um die Sache gehe. Hier wird mitgewippt, konzentriert gelauscht, die Faust geballt, auf den entscheidenden Moment gewartet.

Es ist wahr, dass Xavier Naidoo wenig einnehmend und eloquent wirkt – aber je länger das Experiment dauert, desto mehr kann man fasziniert seinen intuitiven Kriterien nachspüren, die Kraftmeierei und Schöngesang ausschließen und ganz und gar den einzigartigen Ausdruck in der Stimme suchen. Rea Garvey setzt dagegen gerade auf das Röhren und die Expression. Und bei Nena muss es sowieso ordentlich gefühlig sein. Dazwischen zerrieben werden die bedauernswerten Boss Hoss, die kaum Talente auf sich vereinen und auch mit dem Hinweis auf ihre Band im Hintergrund wenig Eindruck machen – zumal Naidoo auf 28 Musiker in zwei Bands verweist.

Wenn jetzt die „Battles“ beginnen, wird die Blindheit vorbei sein, der Ton zwischen den Juroren wird sich verschärfen, und die – oft nicht mal mehr behauptete – Naivität des ersten Auftritts wird verschwunden sein. „The Voice Of Germany“ hat bereits einige veritable Virtuosen der Straßenmusik und dem Privatstudium entrissen – nun müssen die letzten Sendungen beweisen, dass nicht Populismus und Eitelkeiten die Entscheidung bestimmen. Die Experten müssen streng bleiben, und es wird interessant zu beobachten sein, wie das Coaching der Coaches aussieht. Dass am Ende ein Paul Potts triumphiert, ist durch das Procedere ohnehin ausgeschlossen. Aber eine junge Straßensängerin aus Berlin – das könnte schon sein. Auch wenn sie ihre CD schon aufgenommen hat.

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