Interview mit OZY-Gründer Carlos Watson: ‚New York Times, Buzzfeed – und natürlich wir!‘

Mit OZY hat sich in den USA ein neues amerikanisches Online-Magazin für hochwertigen Journalismus etabliert. Wir sprachen mit dem Gründer.


Carlos Watson, Co-founder of Ozymandias

Unter den zahllosen Neuentwicklungen im Internet finden sich selten neue Seiten, die hochwertigen Journalismus bieten. Eine Ausnahme ist das amerikanische Online-Magazin OZY, an dem Axel Springer (wo auch der ROLLING STONE erscheint) seit kurzer Zeit beteiligt ist. OZY.com startete im September 2013 und wurde von dem Journalisten und Gründer Carlos Watson ins Leben gerufen. OZY richtet sich an ein weltweites und neugieriges Publikum, das jenseits der täglichen Nachrichten mehr über Menschen, Plätze, Trends, Technologien und Ideen von morgen erfahren möchte. ROLLING STONE sprach mit Carlos Watson.

Rolling Stone: Wie spricht man Ozy eigentlich aus?
Carlos Watson: Wie Ozzy Osbourne: Ozzy! Ozy steht aber für “Ozymandias”, ein Gedicht von Percy Shelley.

RS: Klingt ähnlich eklektisch wie die Mischung Ihrer Webpage. Da findet man ein Interview mit der ehemaligen Außenministerin Condoleezza Rice, eine Reportage über Amsterdams Rotlichtviertel, ein Portrait von Delia Derbyshire, Pionierin der elektronischen Musik, neben Fahrberichten von Supersportwagen: wie passt das alles zusammen?
CW: Alle Mitarbeiter – wir haben derzeit 25 feste und 25 freie – bringen Themenvorschläge ein. Ich checke dann: ist genügend Politik, Sport, Unterhaltung, Wirtschaft drin? Decken wir geografisch ein breites Feld von den USA über Europa bis hin nach Asien und Afrika ab? Ist etwas für alle Altersklassen, von 20 bis 50, dabei? Stehen neben den ernsten, komplexen Themen auch leichte, unterhaltsame?

RS: Was wollen Sie mit diesem Mix erreichen?
CW: Wir wollen überraschen! Wir wollen den Lesern die Möglichkeit geben, etwas Neues, ihnen bislang Unbekanntes zu entdecken, denn das ist aufregend.

RS: Welche Webpage besuchen Sie morgens als erstes, Ihre eigene ausgenommen?
CW: Das wechselt. Manchmal die der New York Times, manchmal The Daily Maverick aus Südafrika, manchmal eine indische Webpage, The Caravan…

RS: Wie entdecken Sie solche Seiten?
CW: Ich bin mein Leben lang viel gereist. Und bereits als Junge schickte mich mein Vater immer zum Flughafen von Miami um ihm von dort internationale Zeitungen und Magazine mitzubringen: “Kauf alles, was Du findest, egal in welcher Sprache”, war seine Ansage, und so kam ich mit japanischen, brasilianischen und indischen Zeitungen zurück. Das Interesse an Nachrichten und Geschichten aus aller Welt wurde also schon früh in mir geweckt.

RS: Was war Ihr Vater von Beruf?
CW: Lehrer für Soziologie und politische Wissenschaften. Meine Mutter war ebenfalls Lehrerin. Beide waren gute Lehrer, und gute Lehrer sind gute Geschichtenerzähler. Ähnlich wie Journalisten: ein guter Journalist unterhält nicht nur, sondern lehrt durch seine Story auch etwas.

RS: Lesen Sie noch Printmedien?
CW: Ja, ich lese noch ein paar Magazine und Teile der New York Times und des Wall Street Journals, wenn ich morgens im Gym auf dem Rad strampele. Aber ich lese mehr und mehr am Computer und noch mehr auf meinem Mobiltelefon.

RS: Ozy.com gibt es jetzt etwas über ein halbes Jahr: wie lautet Ihr Fazit dieser ersten Phase?
CW: Wir sind angenehm überrascht, wie beliebt die Seite bereits ist: wir haben viermal so viele Besucher wie angenommen, ein Viertel davon aus anderen Staaten als den USA. Aber wir wollen noch internationaler werden, noch mehr Geschichten per Video oder Audio erzählen, noch mehr spannende Info-Grafiken bieten. Wir geben uns selbst ein bis eineinhalb Jahre Zeit ein wirklich spektakuläres Produkt zu schaffen – und zwar eines, das jeden Tag überrascht, nicht nur ab und zu. Wir wollen ein Premiumprodukt für ein Massenpublikum sein. Apple ist ein Premiumprodukt für die breite Masse: jedes dritte Handy in den USA ist ein iPhone. Starbucks war so ein Premiumprodukt, da holte sich jeder, von der Sekretärin bis zum Vorstandsvorsitzenden seinen Kaffee. Oder das Fernsehmagazin “60 Minutes”: hochqualitativer Journalismus, bei dem der Klempner genau so wie der Präsident einschalten.

RS: Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, ozy.com zu gründen?
CW: Die Trips zum Zeitschriftenkiosk am Flughafen Miami haben sicher den Grundstein zu der Idee gelegt. Ein weiterer, wichtiger Moment war die Präsidentschaftswahl 2008 in den USA: Alle Medien berichteten immer und immer wieder über die gleichen Dinge. Da wurde sehr deutlich, wie verbreitet es ist, immer nur bereits bekannte Stories wiederzukäuen. Ich will das ändern.

RS: Was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Trends und Entwicklungen derzeit im Internet?
CW: Die Erhöhung der Datenbandbreite. Sie wird es erlauben, dass noch mehr Video-Content, interessante Animationen und digitale Innovationen fließen.

RS: Welcher Social-Media-Trend hat Sie überrascht?
CW: Der Erfolg von Pinterest: geradezu astronomisches Wachstum mit einer sehr loyalen Benutzergruppe.

RS: Welche Social Networks nutzen Sie selbst?
CW:  Facebook, Twitter, LinkedIn – und seit kurzem Pinterest.

RS: Welche Apps benutzen Sie am häufigsten?
CW: Da ich viel reise: Uber und Hotels Tonight.

RS: Welche App sollte noch erfunden werden?
CW: Eine App, die mir überall auf der Welt anzeigt, wo gerade ein spontanes Basketballspiel läuft bei dem ich mitspielen kann.

RS: Warum ist der Klatsch und Tratsch von Seiten wie TMZ.com oder perezhilton.com oft beliebter als ernsthafte News und guter Journalismus?
CW: Das wusste schon Shakespeare: die Menschen lieben nun mal “Brot und Spiele”, daran hat sich nichts geändert.

RS: Welche Medien haben die Zeichen der Zeit erkannt und machen guten, zeitgemäßen Journalismus?
CW: Es gibt einige, die manches sehr gut machen: Vice, Upworthy, BuzzFeed, die New York Times… und wir natürlich. (lacht)

RS: Was würden Sie tun, wenn es kein Internet, keine digitale Revolution geben würde?
CW: Mehr Basketball spielen und mehr Filme sehen.

Leslie dela Vega
Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates