The Beach Boys :: The SMiLE Sessions

Im Oktober 1966 war „SMiLE“ die Zukunft der Popmusik. „A teenage symphony to God“ nannte Brian Wilson damals das Nachfolgealbum zu „Pet Sounds“, an dem er gerade arbeitete. Ein halbes Jahr später war er verrückt geworden, und „SMiLE“ wurde das berühmteste unvollendete Album des Pop. Erst 37 Jahre später stellte Brian Wilson mit seiner Tourband und „SMiLE“-Textdichter Van Dyke Parks das Werk fertig und spielte es neu ein. Eine medizinische Maßnahme, eine Mythosmeuchelei – und trotzdem großartig, weil die Musik natürlich brillant war und deutlich machte, dass die Pop-Avantgarde erst im Begriff war, dort anzuschließen, wo Wilson 1967 aufgehört hatte. Die Aufnahmen aus den Sechzigern blieben im Archiv.

Doch nun, 50 Jahre nach Erscheinen der ersten Beach-Boys-Single, gibt es den Heiligen Gral des Pop nun doch noch fürs eigene Wohnzimmer. Auf fünf CDs, einer Doppel-LP und zwei Vinyl-Singles mit Original-Artwork von Frank Holmes. Auf der ersten CD (und der Doppel-LP) kann man eine Rekonstruktion des geplanten Albums hören. Das Tracklisting ähnelt dem von Wilsons 2004er -ersion  (nur das unfertige „I’m In Great Shape“ ist vom letzten ins erste Drittel gewandert). Die weiteren CDs dokumentieren – ähnlich der „Pet Sounds“-Box vor einigen Jahren – die gesamten Sessions. Wilson arbeitete seinerzeit nicht mehr an ganzen Songs, sondern an einzelnen Sektionen, die er am Ende zusammenfügte bzw. zusammenfügen wollte. Allein die Arbeiten zu „Heroes And Villains“ und „Good Vibrations“ füllen jeweils gut eine CD von „The SMiLE Sessions“.

„SMiLE“ ist eine Feier Amerikas – der Musik, der nicht immer rühmlichen Geschichte und der Landschaft. Am Anfang steht der Mythos – die Helden und Schufte, die Pilgerväter und Indianer, die Farmen und die Eisenbahn. Es folgen die Liebe, die Schöpfung, die Transzendenz, schließlich die vier Elemente, und am Ende stehen die „Good Vibrations“.  Die großen Songs („Heroes And Villains“, „Cabin Essence“, „Wonderful“, „Good Vibrations“) sind fertiggestellt – mit Ausnahme von „Surf’s Up“, das aus einer Soloversion von Brian Wilson und zusätzlichen Aufnahmen mit Carl Wilson und Al Jardine zusammengestückelt ist. Einige der konzeptionell wichtigen Interludien sind dagegen noch ohne Lead-Gesang. Die musikalisch faszinierendste Sektion, die sogenannte „Elements Suite“, ist am wenigsten vollendet, hat aber zugleich die überraschendsten Momente. Auf „Holiday“ etwa hört man himmlische bisher unbekannte Harmonien, die allerdings leider allzu plötzlich abbrechen.

Es ist faszinierend, diesem Projekt beim Scheitern zuzuhören, und niederschmetternd, wenn man feststellt, wie nah Wilson dran war an der Vollendung. Die 60s-Patina auf den großenteils in Mono aufgenommenen Tracks sorgt zudem für das auratische Moment, das der Neueinspielung von 2004 naturgemäß fehlt.

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