111 Songs: Flowerpornoes – „Titelstory gegen ganzseitige Anzeige“

In der Rolling-Stone-Beilage: "Pop in Deutschland" haben unsere Autoren 111 Bands und ihre besten Songs zusammengetragen. Maik Brüggemeyer erklärt, warum „Titelstory gegen ganzseitige Anzeige“ von Flowerpornoes einer davon ist.

„Fünf Jahre nach mir und drei Jahre nach Blumfeld kaufen sie alles ein, was Deutsch singt und laut genug lügen kann“, quengelt Tom Liwa und schiebt noch die alte Randy-Newman-Weisheit hinterher: „Es ist einsam hier oben.“ „Titelstory gegen ganzseitige Anzeige“ heißt der Song – ein Lied über Heimat, Herkunft, die alten Rockstar-Träume und die Zynismen der Musikindustrie, entstanden, so Liwa in seiner Liedersammlung „Songs“, „in einem Kraftakt aus Grübeln und Murren“. Es sei mühsam gewesen, sich in dieser Zeit in der deutschen Musiklandschaft zu positionieren, schreibt er. Vier Jahre zuvor hatte das „Zeitmagazin“ den Duisburger Songwriter noch zur großen Pop-Hoffnung der 90er-Jahre erklärt, doch wenig später löste seine Band, die Flowerpornoes, sich auf, und Liwa schien sich in einem Leben als Hausmann einzurichten. Dass es anders kam, lag sicher auch am Erfolg der Hamburger Schule, deren Protagonisten, wie etwa Jochen Distelmeyer von Blumfeld, sich auf Liwa beriefen. Auf dem vorzüglichen kleinen Moll-Label erschienen drei großartige Alben, auf denen Liwa es wie kein Zweiter verstand, Befindlichkeiten so lässig und zugleich tiefgründig zu formulieren, dass man glauben konnte, der beste Freund erkläre einem in einer Vollmondnacht nach dem Konsum eines famos klug machenden Krautes, was es auf sich hat mit der Liebe und dem Leben. In die Charts sangen sich die Flowerpornoes damit zwar nicht – in die Herzen aber allemal.

Ende der Neunziger ging Liwa, der am wenigsten berechenbare deutsche Songwriter und einer der besten sowieso, den verschlungenen Weg, den andere Künstler Karriere nennen, allein weiter. Alben wie „Eine Liebe ausschließlich“ und „Goldrausch“ zeigen, dass er – auch in dieser Hinsicht eine singuläre Erscheinung – im Alter immer besser wird. Auch die Flowerpornoes, mittlerweile so etwas wie Liwas Crazy Horse, hat er in den letzten Jahren öfter wieder reaktiviert. 2007 veröffentlichte die Band das Album „Wie oft musst du vor die Wand laufen, bis der Himmel sich auftut?“, 2012 erschien „Ich liebe Menschen wie ihr“.

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