7:1 für die Ewigkeit

Mit dem 7:1 gegen die Brasilianer im Halbfinale choreografierten Müller & Co. mal eben 90 Minuten für die Ewigkeit. Ein später Triumph für den schon als Knapp-daneben-Kandidaten abgestempelten Bundestrainer Jogi Löw.

Die Fußballweltmeisterschaft war kein Sommermärchen für Brasilien. Mit dem juego bueno sollte eine Wirtschaftsmacht auf dem Sprung inszeniert werden. Es wurde: ein Schuss in den Ofen. Stattdessen erinnern wir uns an die Gegensätze, das Unsoziale und Unfertige der brasilianischen Gesellschaft. Und natürlich an die Menschen, die das Kitschbild vom fröhlichen Strandkicker nebst strahlender Sambatänzerin nachhaltig korrigiert haben. Bleiben also die Tore, die Taktik. Das Spiel an sich. Selbst wenn die Fédération Internationale de Football Association (FIFA) ihren einstigen Leitspruch „For the Good of the Game“ endgültig beerdigen konnte. Massendemonstrationen gegen einen Sportverband: Das hatte es bis dato noch nicht gegeben. Die kommenden Turniere in Russland (2018) und Katar (2022) versprechen Ähnliches. Man schaute also trotz der Umstände, blendete all das Wissen um Korruption und Marketing-Terror einfach aus. Zwar längst nicht mehr alle Spiele, dafür ist die aufgeblasene Vorrunde mit 32 Teams doch zu üppig geraten. Honduras gegen Ecuador (1:2) an einem Junisamstagabend zur Geisterstunde war eher etwas für Feinschmecker. Dennoch hatte der unerwartete Durchmarsch der deutschen Nationalmannschaft natürlich seine großen Momente. Mal abgesehen von der Wortneuschöpfung „Schiedsrichterspray“ und der nochmals ins Gigantische gesteigerten Nach-Pokalverleihungs-Party auf dem heiligen Rasen von Maracana. Adrette Spielerfrauen, in Großbritannien seit 2006 „WAGs“ genannt, schwenkten ihre gesponserten Handtaschen durchs Bild.

Da gab es etwa mit dem Untergang der Spanier die Entzauberung des Kurzpass-Systemfußballs. Das 5-3-2 der Niederländer ließ „Tiki Taka“ schrecklich alt aussehen. Am Ende hieß es 5:1, und eine Ära war beendet. Favorit Brasilien spielte wie in Bleiwesten, und der übliche Turnier-Loser England konnte nicht mal auf Berserker Wayne Rooney bauen. Mit dem 7:1 gegen die Brasilianer im Halbfinale choreografierten Müller & Co. mal eben 90 Minuten für die Ewigkeit. Ein später Triumph für den schon als Knapp-daneben-Kandidaten abgestempelten Bundestrainer Jogi Löw. Normalerweise verliert man nach solchen Spielen dann 0:1 gegen Argentinien. Die ehemaligen German tanks zeigten aber bemerkenswert flexibel, wie sich „System“ und „Charakter“ unorthodox weiterentwickeln lassen. Der FC Bayern unter Pep Guardiola arbeitet permanent an diesem Remix. Dass Weltmeister Deutschland schon im Herbst unter einem „WM-Fluch“ leidet – mit Rücktritten, Verletzungen und zerbrochenen Liebschaften bei den Spielern –, mag eine hübsche Medienkonstruktion sein. Es ist halt wie im echten Leben: Auch die größten Glücksmomente sind flüchtig wie eine Feder.

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