Christopher Annen & Francesco Wilking

„Alles was ich je werden wollte“

Annen & Wilking/Cargo (VÖ: 7.2.)

Großes Debüt der kleinsten deutschen Indie-Supergroup.

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„Ich wollte dich anrufen, aber es war falsch verbunden“, klagte Francesco Wilking 2007 in „Rio de Janeiro“, einem der besten Songs seiner damaligen Band Tele. „Ich wollte dich fragen, dann war die Verbindung weg“, singt er nun, 18 Jahre später, ergänzt diesmal allerdings mit lakonischer Erleichterung: „Wahrscheinlich hätte mich deine Antwort verletzt.“ Auf „Alles was ich je werden wollte“, nur echt ohne Komma, blicken Wilking (Die Höchste Eisenbahn, Crucchi Gang) und Christopher Annen (Gitarrist bei AnnenMayKantereit) mit empathischer Neugier durch das Kaleidoskop des Scheiterns und erzählen die goldenen Geschichten zwischen den Zeilen, direkt aus dem Schmierblock des Alltags.

Man möchte die schönsten Zitate dieser Platte auf Kissen sticken oder in Amulette eingravieren

Dass Annen nicht Moritz Krämer ist, ändert nichts daran, dass die 15 Stücke oft an Die Höchste Eisenbahn erinnern, ebenso an Wilkings sehr gutes Solodebüt, „Die Zukunft liegt im Schlaf“ (2011) – vor allem der Titeltrack und das überragende „Gut so allein“. Zeitlose Singer-SongwriterSchmiedekunst mit Indie-Charme und umarmenden Melodien. Überraschend sind die souveränen Exkursionen in neue Gefilde: „Kein Tourist (Nur damit ihrs wisst)“ checkt als Lo-Fi-Gast ins Phil-Spector-Grandhotel ein, „Nicht sehr alt“ hat eine dylaneske Mundharmonika, Folkklampfe und Fiddle im Gepäck.

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„Die Entscheidung ist vertagt“ lädt zur poppig pulsierenden Prokrastinationsparty, und das hinreißend streicherveredelte „Ich glaub, wir meinen das Gleiche“ berührt ganz besonders. Und dann taucht auch noch Rocko Schamoni auf („Hundertmal Nichts (Gold)“), und im betörend dreistimmigen Finale, „Blackbox“, erscheint Stefanie Schrank von der Kölner Indie-Institution Locas In Love. Man möchte die schönsten Zitate dieser Platte, und das sind viele, auf Kissen sticken oder, noch besser, in Amulette eingravieren, die man sich gegenseitig um den Hals hängt und dann lässig baumeln lässt. Auf Herzhöhe.

Diese Review erschien im Rolling Stone Magazin 2/25.