U.S. Girls
„Scratch It“
4AD/Beggars (VÖ: 20.6.)
Reizvoller, soulgetränkter Trip in die 60s und 70s.
Meghan Remy aka U.S. Girls ist keine Künstlerin, die sich gern länger als nötig in einem Genre oder Sound aufhält. Seit ihren Anfängen Ende der Nullerjahre hat die in Chicago geborene und mittlerweile in Toronto lebende Songschreiberin mehrfach kreative Häutungen vollzogen. Von ihren Riot-Grrrl- und Punk-Wurzeln spürt man inzwischen kaum noch etwas. Auf ihrer letzten Platte, dem tollen, discoverliebten „Bless This Mess“, klang Remy wie eine Indie-Version von Madonna.
Die Songs seufzen im Groove, schmatzen Selbstgewissheit
Diesmal hat sie sich ein Outfit für eine Seventies-Party gebastelt, zu der Eleanor Friedberger, Patsy Cline, Willie Nelson, Wanda Jackson und die Staple Singers eingeladen sind. „Scratch It“ schlägt einen Haken von Country zu Soul zu Folk. Hier gibt es eine Ahnung von Gospel, dort ein kleines Rock-Arrangement. Hier glimmt eine Wurlitzer, dort bläst der große Charlie McCoy mit seiner Mundharmonika keinen Ton zu viel. Tremolo-Gitarren evozieren einen Raum, der gefüllt ist mit Zigarettenrauch, edel abgegammelten Teppichen und altehrwürdigem Equipment. Die Songs seufzen im Groove, schmatzen Selbstgewissheit und sind sich ihrer fehlerlosen Stilisierung manchmal eine Spur zu bewusst.
All das könnte schnell langweilen, wäre da nicht Remys nonchalanter Gesang, diese so zärtliche wie süffisante Stimme, die nie laut werden muss, um sich Autorität zu verschlafen, die Reminiszenzen an Vorbilder von Patti Smith über James Brown bis zu Bruce Springsteen einstreut und mit autobiografischen Betrachtungen verknüpft. Auf absolut verblüffende Weise gelingt ihr das im zwölfminütigen „Bookends“, das nicht zuletzt in musikalischer Hinsicht mit beschwingter Uptempo-Coda das Maß der Dinge auf diesem kurzweiligen Album darstellt, das nicht ohne manches Retro-Klischee auskommt.
Diese Review erschien zuerst im Rolling Stone Magazin 7/2025.