Lollapalooza-Review: Justin Timberlake, RAYE, j-hope, Gracie Abrams
Zwei Tage, 60 Acts, 120.000 Fans und die Headliner im Überblick
Ein Jubiläum, das sich sehen – und hören – lassen kann: Zum zehnten Mal hat das Lollapalooza Berlin Stars aus aller Welt auf die Bühnen des Olympiaparks gebracht. 60.000 Besucher:innen pro Tag, von Dauerregen bis Dauersonne, von TikTok-Newcomern bis Pop-Legenden.
Zwischen Ashnikko und Timberlake, RAYE und j-hope, The Last Dinner Party und Gracie Abrams zeigt sich: Berlin tanzt – egal, ob im Schlamm oder im Sonnenlicht.
Tag 1 –Sex, Synths & Schleifen im Haar
Regenjacke an, Glitzer drauf: Beim Festival-Auftakt tanzte Berlin im Nieselregen, als hätte niemand was vom Wetterbericht gehört. Headliner wie Justin Timberlake, Ashnikko und Gracie Abrams sorgten für Emotionen, Ekstase – und eine Flucht in musikalische Parallelwelten.
Ashnikko – sexy, schrill, skurril (17:20 Uhr, Telekom Mainstage)
In einem zerfetzten Zeitungspapier-Kostüm betritt Ashnikko die Bühne – ein Mix aus Fashion-Fail und Performance-Kunst. Ihre Fans? Bunte Haare, Glitzer im Gesicht, TikTok-Vibes pur. „I see a few baddies, I see a full beat“, ruft sie – während der Regen ihr Outfit fast zersetzt. Egal. Die Menge johlt, vor allem als der rote Spitzen-BH unter ihrem Kostüm aufblitzt. Ihre zwei Tänzerinnen zeigen viel Haut, die Kamera zoomt auf Ashnikkos Popo, Papas in der Crowd schauen peinlich berührt weg – ihre minderjährigen Töchter kreischen begeistert.
Bekannt wurde die US-Künstlerin während Corona – mit viralen TikToks und ihrem Debütalbum „Demidevil“ (2021). Ihre Show: sexuell aufgeladen, empowering, ein bisschen Gaga, ein bisschen Anime – und definitiv nichts für schwache Nerven.

The Last Dinner Party – Fee mit Faust (18:10 Uhr, Mainstage South)
Abigail Morris, Leadsängerin der britischen Rock-Band, trägt ein elfenhaftes Spitzenkleid, kraxelt über die regennasse Bühne und springt ins Publikum. Ihre Stimme: glasklar, fast opernhaft – und dann politisch. Mitten im Set ruft sie zu Spenden für Palästina auf.
Fünf Frauen, ein Sound: Queen trifft Florence + The Machine – und Berlin liebt’s. Die Band wurde 2023 als „beste neue Hoffnung der Rockmusik“ gefeiert – zu Recht, wie dieser Auftritt beweist.

Gracie Abrams – Herzschmerz mit Schleife (20:10 Uhr, Mainstage South)
Im bodenlangen schwarzen Kleid, Haare streng zurück, wirkt Gracie Abrams wie aus einem Schwarzweiß-Film gefallen. Ihre Songs – sensibel, zerbrechlich – treffen mitten ins Herz. In der Crowd: Mädchen mit Schleifen im Haar, ihr Markenzeichen. Und Promis: Sonntags-Headliner j-hope singt von der Seitenlinie im Graben vor der Bühne mit.
Abrams, Tochter von Star-Regisseur J.J. Abrams, ist DER neue melancholische Pop-Star der Gen Z. Ihr Album „The Secret of Us“ (2024) entstand u. a. mit Taylor Swift – und das hört man.

Justin Timberlake – der Mann, auf den alle gewartet haben (21:15 Uhr, Telekom Mainstage)
Schon Stunden vorher ist klar: Hier will niemand etwas verpassen. Als Timberlake mit „Mirrors“ startet, ist das Festivalgelände brechend voll – von vorne bis zur letzten Pommesbude. 90 Minuten lang liefert er ein Set, das wie ein Best-of seiner Karriere wirkt: „SexyBack“, „Cry Me a River“, „Rock Your Body“, „Can’t Stop the Feeling!“ – jeder Song ein kollektiver Flashback, jede Dance-Break ein Beweis für seine Bühnenroutine. Der Regen? Völlig egal.
Timberlake steht in Regenjacke mit seiner Band The Tennessee Kids auf der Bühne, tanzt, singt, lacht – alles on point.
Gänsehautmoment: Ein Fan aus Südafrika hält ein Schild hoch, 6000 Meilen gereist. Timberlake signiert es – mitten im Set. Die Menge rastet aus. Sein Auftritt ist nicht nur Headliner-würdig – er ist der emotionale Höhepunkt eines Tages, der Berlin klatschnass und glücklich zurücklässt.

Tag 2 – Sonnenglanz und Superstars
Die Sonne prallt auf den Olympiapark, als wolle sie gestern gutmachen. Nach dem grauen Festival-Auftakt zeigt Berlin sich in Gold. 60.000 Menschen, kein Wölkchen in Sicht – stattdessen Sonnencreme, Glitzerstaub und ein Line-up, das keine Wünsche offenlässt. Tag zwei des Lollapalooza – und es wird heiß. Im wahrsten Sinne.
Benson Boone – Gymnastik und große Stimme (17:40 Uhr, Telekom Main Stage)
Er startet am Klavier – um beim ersten Chorus spektakulär runterzuspringen. Benson Boone, gerade 23 geworden, ist eine Mischung aus Country-Pop-Boy und Bühnen-Akrobat. In rotem Muskelshirt und mit vor Schweiß glänzenden Armen wirbelt er über die Bühne, als sei sie sein Wohnzimmer.
Seine Songs? Große 6/8-Balladen, hymnisch, mitreißend. Man will schunkeln, schreien, mitschmettern. Als er das Mikro hebt und ein Call-and-Response à la Freddie Mercury anstimmt, fällt der Groschen: Dieser Typ hat’s. Stimme, Charisma, Rampensau-Faktor – alles da.

RAYE – Soulqueen ohne Schuhe (18:45 Uhr, Main Stage South)
Barfuß, mit Old-Hollywood-Wellen im Haar und Band in Tuxedos betritt RAYE die Bühne. Auch ihre Backgroundsängerinnen tragen schwarze Anzüge. Zwischen ihren Songs spricht sie offen über persönliche Krisen, Sucht, Herzschmerz – und trotzdem lacht sie, flirtet mit dem Publikum, fragt charmant nach den Singles in der Crowd. Dann spielt sie „Worth It.“ – ihren einzig hoffnungsvollen Song, wie sie sagt.
„My 21st Century Blues“ heißt ihr Debüt – auf der Bühne klingt das wie eine Mischung aus Soul, Jazz, Pop und purer Wucht. Ihre Stimme? Bläst einem die Sorgen aus dem Kopf.

j-hope – K-Pop in Perfektion (20:15 Uhr, Telekom Main Stage)
Für ihn wurde gecampt. Schon in der Nacht zuvor lagen Fans mit Decken vor dem Eingang, bewaffnet mit Wasser, Hoffnung und Plakaten. Als j-hope, 31, BTS-Star und Solo-König, die Bühne betritt, brechen Dämme.
1,5 Stunden K-Pop-Choreografie auf Champions-League-Niveau: dutzende Tänzerinnen, blinkende Lichter, ein offenes Hemd, das im Wind flattert. Er tanzt, rappt, lächelt – und bringt die Crowd kollektiv zum Ausrasten.

Es ist nicht nur ein Konzert. Es ist Ekstase. Kunst. Kultur. Eine Welt, die sich für diesen Moment komplett um ihn dreht. j-hope macht Berlin zum globalen Pop-Schauplatz – und es fühlt sich magisch an.