US-Demokraten bereiten eine absichtlich unvollständige Wahlanalyse für 2024 vor

Das offizielle Postmortem des Democratic National Committee zur Wahl 2024 wird Berichten zufolge nur wenig Zeit auf die Analyse der Kampagnen von Biden und Harris verwenden

ROLLING STONE Badge
Empfehlungen der Redaktion

Die Demokratische Partei untersucht, wie sie die Wahl 2024 verloren hat. Allerdings offenbar ohne dabei viel Zeit auf ihre eigentlichen Präsidentschaftskampagnen zu verwenden. Laut einem Bericht der „New York Times“ vom Samstag plant die Partei, Entscheidungen wie die, ob Präsident Joe Biden überhaupt zur Wiederwahl hätte antreten sollen, ob er früher aus dem Rennen hätte aussteigen sollen oder ob Kamala Harris die richtige Kandidatin gewesen sei, nicht zu analysieren.

Fokus auf externe Faktoren statt auf Präsidentschaftskampagne

Nach einer dramatischen Niederlage auf ganzer Linie gegen die Republikaner und Donald Trump, der eine zunehmend autoritäre Präsidentschaft führt, scheuen sich die Demokraten davor, sich mit unangenehmen Fragen zu ihrem Versagen auseinanderzusetzen.

Die „After-Action Review“ des Democratic National Committee (DNC), die im März begann, wird laut Erwartungen auch keine strategischen oder kommunikativen Entscheidungen der Harris-Kampagne beleuchten. Dazu zählt etwa die Nichtreaktion auf einen Team-Trump-Angriffsspot, der Harris als Unterstützerin von „they/them“ darstellte und Trump als jemanden „für dich“, oder die Entscheidung, die Wahl als Entscheidung zwischen Demokratie und Faschismus zu inszenieren.

„Parteifunktionäre beschrieben den Entwurf des Dokuments als eine Fokussierung auf die Wahl 2024 insgesamt, jedoch nicht auf die Präsidentschaftskampagne – was in etwa so sei, wie in ein Steakhaus zu gehen und dann den Salat zu bewerten“, schreiben Reid Epstein und Shane Goldmacher in der Times.

Die Autopsie wird sich offenbar eher mit den Ausgaben von externen Organisationen und Super-PACs befassen, die die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten unterstützten. Sechs mit der Angelegenheit vertraute Personen beschrieben der Times gegenüber den Inhalt des Berichts.

„Wir sind nicht daran interessiert, Kampagnentaktiken oder Entscheidungen von Wahlkampfmitarbeitern infrage zu stellen“, sagte Jane Kleeb, Vorsitzende der Demokraten in Nebraska, der Times. „Uns interessiert, welche Wähler für Republikaner und Demokraten abgestimmt haben und wie wir das künftig besser machen können.“

DNC-Chef unter Druck, Strategien zu hinterfragen

Ken Martin, der neue Vorsitzende des DNC, verspricht seit seinem Amtsantritt im Februar eine Wahlanalyse. Bisher war seine Amtszeit von kleinlichen Streitereien und Chaos geprägt – insbesondere darüber, ob David Hogg, Überlebender eines Amoklaufs und Aktivist für Waffenkontrolle, als stellvertretender Vorsitzender des DNC fungieren könne, während er zugleich einen Super-PAC leitete, der sich für parteiinterne Herausforderer ineffektiver Demokraten einsetzte. (Hogg verließ den DNC im vergangenen Monat.)

Der demokratische Stratege Paul Rivera leitet die Analyse, die noch nicht abgeschlossen ist. Allerdings hat Rivera begonnen, erste Erkenntnisse zu teilen.

„Wir freuen uns, dass so großes Interesse an einem After-Action-Bericht darüber besteht, wie die Demokraten wieder gewinnen können“, sagte Rivera der Times. „Aber vielleicht sollte man mit dem Applaus – oder der Kritik – noch warten, bis wir unsere Arbeit abgeschlossen haben und der Bericht auch gelesen werden kann.“

Kleeb sagte, sie gehe davon aus, dass der Bericht den Fokus der Partei von Werbung auf Organisation verlagern werde.

„Die Zeiten, in denen wir Millionen und Abermillionen Dollar für klassische Fernsehwerbung ausgeben, sind vorbei“, sagte sie. „Und ich denke, dieser Bericht wird das deutlich unterstreichen.“

Kritik an Werbestrategie von Future Forward

Der Bericht wird voraussichtlich argumentieren, dass der wichtigste Super-PAC der Demokraten, Future Forward, Trump nicht genug angegriffen und zu viel Zeit damit verbracht habe, positiv über Harris zu sprechen. Die Gruppe gab 560 Millionen Dollar zur Unterstützung der Biden-Harris-Kampagne aus. Ein Mitarbeiter von Future Forward erklärte der Times jedoch, dass 13 Prozent der Werbespots Harris betrafen und der Rest Angriffe auf Trump waren.

Wie die Times bereits früher berichtete, vertrat das datengesteuerte Team von Future Forward während der gesamten Kampagne 2024 die Ansicht, dass Negativwerbung gegen Trump aufgrund interner Botschaftstests nicht effektiv sei. Stattdessen habe das Team argumentiert, dass kontrastierende Werbung zwischen Trump und Harris wertvoller sei.

Wie Rolling Stone Anfang des Jahres berichtete, setzten die Werbespots von Future Forward kaum auf Clips von Trump selbst – da laut Tests der Gruppe solche Clips weniger wirkungsvoll seien als Spots mit Erzählerstimme.

Die Spots enthielten häufig lange Aufzählungen von Informationen und waren oft schwer verständlich.

Es ist wahrscheinlich sinnvoll, dass die Demokraten ihre Ausgabenentscheidungen überprüfen. Aber die eigentlichen Hauptgründe für ihre Niederlage – insbesondere Bidens Entscheidung, 2024 erneut anzutreten, wodurch sie in eine massive Zwangslage gerieten, als er später zum Rückzug gezwungen war – zu ignorieren, scheint einfach ein weiterer großer Fehler zu sein, den die Partei nicht einzugestehen bereit ist.

Naomi Lachance schreibt für den ROLLING STONE USA. Hier geht es zum US-Profil