Trump verschärft Militär-Einsatz und droht Bundesstaaten

„Das ist das Beängstigendste an dem, was wir gerade beobachten“, sagt ein pensionierter General

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In Donald Trumps zunehmend verwirrter Weltanschauung gilt: Wenn er es sich vorstellen kann, darf er es auch tun. „Ich habe das Recht, alles zu tun, was ich will. Ich bin der Präsident der Vereinigten Staaten“, erklärte er diese Woche im Oval Office vor Reportern. Damit rechtfertigte er seine Entscheidung, bewaffnete Nationalgarde-Einheiten nach Washington, D.C., zu entsenden. Und seine Drohungen, auch Kräfte nach Chicago und darüber hinaus zu schicken. „Wenn ich denke, dass unser Land in Gefahr ist – und es ist in diesen Städten in Gefahr“, sagte er, „dann kann ich das tun.“

Polizei-Staat als Testlauf

Trump benutzt das Militär, um einen amerikanischen Polizeistaat im Versuchsbetrieb zu testen. Und er tut es auf eine Art, die laut Generalmajor a.D. Paul Eaton, der am Dienstag mit Reportern sprach, Konflikte zwischen Einheiten in republikanisch und demokratisch regierten Bundesstaaten anheizen könnte. „Das ist das Beängstigendste an dem, was wir gerade beobachten.“

Diese Woche unterzeichnete Trump eine drastische Exekutivanordnung. Die weist das Pentagon an, „unverzüglich“ eine Spezialeinheit innerhalb der D.C. National Guard einzurichten. Sie soll für „öffentliche Sicherheit und Ordnung“ sorgen – als Reaktion auf den von ihm erklärten „Kriminotstand“ in der Hauptstadt. (Dabei hatte die Bundesregierung Anfang des Jahres selbst vermeldet, dass die Gewaltkriminalität im District auf dem niedrigsten Stand seit drei Jahrzehnten sei.)

Nationale Eingreiftruppe geplant

Doch die Verfügung beschränkt sich nicht auf die Hauptstadt, wo Trump weitreichende Befugnisse besitzt. Sie verlangt den Aufbau ähnlicher Kapazitäten in Nationalgarde-Einheiten im ganzen Land. Sowie die Einrichtung einer „ständigen schnellen Eingreiftruppe der Nationalgarde“, die „landesweit schnell eingesetzt“ werden kann. Trumps Order sieht vor, dass diese Einheiten „bürgerliche Unruhen niederschlagen und die öffentliche Sicherheit gewährleisten“ sollen.

Juristen schlagen Alarm. „Es gibt keinerlei gesetzliche Befugnis, die Nationalgarde zur Bekämpfung lokaler Kriminalität zu föderalisieren“, sagt Liza Goitein, Sicherheitsexpertin am Brennan Center. Sie wies auf die verheerenden Folgen von Trumps Vorgehen hin. „Mindestens aber erzeugt der Einsatz von Soldaten als Polizeikräfte im Inland einen Einschüchterungseffekt“. Insbesondere für Menschen, die gegen „denjenigen protestieren wollen, der diese Soldaten befehligt.“

Bürger als Helfer vorgesehen

Trumps Order sieht mehr vor als nur den Einsatz des Militärs. Sie öffnet auch die Tür für Zivilisten, die seine Vorstellungen von „Recht und Ordnung“ durchsetzen sollen. Die Verfügung kündigt die Schaffung eines Online-Portals an, über das Amerikaner mit „Erfahrung in der Strafverfolgung oder anderen relevanten Bereichen“ sich bewerben können, um „Bundesbehörden für die Strafverfolgung“ beizutreten und „die politischen Ziele“ des Präsidenten zu unterstützen.

Die Sprache der Order, die zuerst von der New York Times publik gemacht wurde, ist vage. Sollen diese Zivilisten bezahlt werden? Oder handelt es sich – wie die Zeitung schrieb – um „zivile Freiwillige“, vergleichbar einer bundesstaatlichen Posse? Ein Sprecher des Weißen Hauses wollte sich nicht festlegen und erklärte gegenüber Rolling Stone lediglich, das Portal solle „qualifizierte Bewerber“ anziehen, die Trumps Initiative zur „Verbrechensbekämpfung in D.C.“ unterstützen.

Stephen Miller als Schlüsselfigur

Mit der Leitung der Rekrutierungsbemühungen beauftragte Trump eine Taskforce unter Vorsitz seines engsten Beraters Stephen Miller. Trumps wohl autoritärster Gefolgsmann dämonisiert regelmäßig alle, die links von der MAGA-Bewegung stehen. In einem Auftritt bei Fox News mit Sean Hannity bezeichnete Miller die Demokraten mit Worten, die selbst einem Demagogen die Schamröte ins Gesicht treiben würden:

„Die Demokratische Partei ist keine politische Partei, sondern eine inländische extremistische Organisation“, sagte Miller. Er spickte seine Tirade mit Falschbehauptungen, etwa dass die Demokraten keine „amerikanischen Bürger vertreten“, sondern sich „ausschließlich der Verteidigung von Schwerverbrechern, Gangmitgliedern sowie illegalen Mördern und Terroristen“ widmeten. Er nannte demokratische Bürgermeister „böse“ und unterstellte ihnen fälschlicherweise, sie „freuten sich“ darüber, ihre Bürger einem „ständigen Blutbad“ auszusetzen. Trumps Militarisierung der Straßen der Hauptstadt bezeichnete er als „Befreiung“ und erklärte: „Präsident Trump hat das Volk von Washington, D.C., buchstäblich befreit.“

Extremistische Andockpunkte

Das Schüren eines Feindbildes im Innern ist nicht neu für die Trump-Regierung. Neu ist jedoch der Gedanke, dass der militarisierte Polizeistaat gegen eine der beiden großen Parteien des Landes eingesetzt werden soll. Das ist alarmierend – und ein grellrotes Warnsignal für jeden, der damit betraut ist, Sicherheitskräfte anzuwerben.

Auch die Sprache in Trumps Exekutivanordnung ist besorgniserregend. Sie kann als Hundepfeife für die Extremisten der Rechten verstanden werden. In den Reihen der Oath Keepers etwa sitzen zahlreiche Ex-Soldaten und Ex-Polizisten. Wie Gerichtsverfahren zeigten, warteten deren Anführer am 6. Januar nur auf ein Signal des Präsidenten, um gewaltsam gegen Trumps Gegner in D.C. vorzugehen. Die Miliz hatte damals eine eigene bewaffnete „schnelle Eingreiftruppe“ jenseits des Flusses in Virginia stationiert. Viele dieser Leute sind nach Trumps Massenbegnadigungen wieder auf freiem Fuß.

Einschüchterung als politisches Mittel

„Das Problem ist hier der Auftrag“, sagt Max Rose, ehemaliger demokratischer Kongressabgeordneter aus Staten Island, zu Rolling Stone. „Die Absicht des Präsidenten ist es, Millionen Menschen Angst einzujagen – vor allem seinen politischen Gegnern.“ Deshalb geschehe alles so „öffentlich und dreist“.

Rose, Eaton und Goitein waren Teilnehmer einer Pressekonferenz, die von der Vet Voice Foundation organisiert wurde – einer Organisation, die sich dem Schutz demokratischer Werte verschrieben hat. Deren Chefin Janessa Goldbeck verurteilte Trumps „unaufhaltsamen Marsch“, das Militär zu einem „parteiischen Werkzeug“ zu machen. Sie nannte die neue Verfügung den „gefährlichsten Schritt bisher“ des Präsidenten. „Es ist ein Bauplan, um Amerikas Militärkräfte einzusetzen, um unsere eigenen Bürger zu überwachen.“

Drohungen von Gouverneuren

Mehrere Teilnehmer der Pressekonferenz wiesen auf die Gefahr hin, dass Trump einen Tabubruch begehen und Nationalgarde-Einheiten eines Bundesstaates in einem anderen einsetzen könnte – selbst gegen den Willen des dortigen Gouverneurs. „Diese Norm wurde immer als unantastbar behandelt, weil das Gegenteil offensichtlich verfassungswidrig wäre“, erklärte Goldbeck. „Kurz gesagt: Die Verfassung verbietet es den Bundesstaaten, andere Bundesstaaten zu überfallen.“

Diese Bedrohung ist längst keine theoretische mehr. In einer Pressekonferenz warnte der demokratische Gouverneur von Illinois, J.B. Pritzker, seine „Mit-Gouverneure“ ausdrücklich vor Einsätzen in seinem Bundesstaat gegen den Willen der dortigen Vertreter. Pritzker formulierte mit Nachdruck, fast wie eine verschleierte Drohung: „Jede Handlung, die die heilige Souveränität unseres Staates verletzt, um dem Ego eines Diktators zu schmeicheln, wird beantwortet werden.“

Bürgerkriegsszenario

General a.D. Eaton, Berater bei Vet Voice, warnte in militärischem Jargon vor einem „blue-on-blue“-Szenario – also einer Form von „Fratricide“, bei dem amerikanische Einheiten „aufeinander schießen, weil beide glauben, das Richtige zu tun, ihr Befehlskommando aber fehlerhaft ist.“

Eaton stellte sich ein gefährliches Szenario vor, in dem etwa South Carolina oder Mississippi Truppen nach Kalifornien entsenden – nur um von dessen Gouverneur zu hören: „Ihr werdet den Staat Kalifornien nicht betreten.“

„Das kann außer Kontrolle geraten, wenn die Gouverneure sich als letzte Verteidigungslinie für die US-Demokratie sehen“, sagt Eaton. Amerikas derzeitiger kalter Krieg zwischen republikanisch und demokratisch regierten Staaten könnte dann plötzlich heiß werden. „Das letzte Mal, dass Amerika ein ‚blue-on-blue‘ erlebt hat“, warnt er, „war im Bürgerkrieg.“

Tim Dickinson schreibt für den ROLLING STONE USA. Hier geht es zum US-Profil