Sprints

„All That Is Over“

City Slang (VÖ: 26.9.)

Übergroßer Industrial-Post-Punk vom irischen Quartett.

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Nach eineinhalb Songs öffnet sich der Höllenschlund. Zwei ultrabrutale Gitarren brechen rechts und links über Karla Chubb herein, die vorher von bitterer Kälte und undurchdringlicher Finsternis gesungen hatte. Da versteht man, dass Sprints in den vergangenen zwei Jahren gelernt haben, ihren Post-Punk für die große Bühne zu inszenieren – man kann sich gut vorstellen, dass die Band live die Sensation ist, von der Konzertbesucher erzählen. Auch die erste Single, „Descartes“, wird von Fuzz-Lärm und Industrial-Gitarren getrieben. So extrem ist die Musik, dass sie zur Ikone wird.

Sowohl in den Worten als auch in der Musik spürt man eine dystopische Furcht

Das ist das erste Pfund des Quartetts aus Dublin Das zweite ist Chubbs. Sprints werden natürlich im Kontext von Idles und Savages wahrgenommen, Chubb erinnert zudem an die Engländerin Billy Nomates, die ihre Texte mit einer ähnlichen Emphase öfters eher rezitiert als singt. Auch Chubb kann das Pendel im richtigen Moment in Richtung Gesang ausschlagen lassen. „Pieces“ etwa ist ein Mahlstrom, bis Chubb plötzlich eine flehende Melodie einflicht. Doch die Pause ist nur kurz, dann kommt der Prügel zurück. „Better“ und „Coming Alive“ bringen die nötige Entspannung und legen die Liebe der Iren zu Goth und Wave-Rock frei. Auch ein Höhepunkt ist „Something’s Gonna Happen“, bei dem Chubb fast die Dringlichkeit von Kae Tempest hat.

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Inhaltlich spiegelt das Album die widersprüchliche Erfahrung, den steilen Aufstieg der eigenen Band zu erleben, gleichzeitig aber beobachten zu müssen, wie alles im Chaos versinkt. Chubb singt aus einer inwendigen, frei assoziierenden Perspektive – sowohl in den Worten als auch in der Musik spürt man eine dystopische Furcht. Aber es ist nicht die Beschreibung einer dystopischen Welt – es ist die aktuelle Wirklichkeit.

Diese Review erschien zuerst im Rolling Stone Magazin 10/2025.