„Charlies Mörder“-Website verschwindet nach Rebranding
Website „CharliesMurderers.com“ brandmarkte Kritiker von Charlie Kirk, rebrandete, verschwand – doch Drohungen halten an.
Dutzende Amerikaner aus unterschiedlichsten Berufsfeldern wurden entlassen oder beurlaubt, nachdem Konservative ihre Arbeitgeber über Social-Media-Kommentare informierten, die sie nach der Ermordung des rechten Aktivisten Charlie Kirk gepostet hatten. Bestraft wurden auch kleine Akte des Widerstands – vom Office-Depot-Mitarbeiter in Michigan, der sich weigerte, Flyer mit Kirks Gesicht zu drucken, bis hin zu Jimmy Kimmel, dessen Show ABC suspendierte, nachdem er die Reaktionen der MAGA-Anhänger kritisiert hatte. Selbst Generalstaatsanwältin Pam Bondi geriet unter Druck, weil sie ein Vorgehen des Justizministeriums gegen „Hassrede“ andeutete. Vizepräsident J.D. Vance unterstützte dagegen, Arbeitgeber direkt anzurufen.
Website „CharliesMurderers.com“
Kirk selbst schrieb 2024 auf X: „Hassrede existiert in Amerika rechtlich nicht. Es gibt hässliche, abscheuliche, böse Rede. Und ALLE sind durch den Ersten Verfassungszusatz geschützt.“ Praktisch aber reagierten er und seine Organisation Turning Point USA regelmäßig mit offener Vergeltung gegen Kritiker. TPUSA unterhielt etwa eine „Professor Watchlist“ mit Dozenten, die angeblich linke Propaganda verbreiteten. Viele sahen darin Einschüchterung und gezielte Anstachelung zu Belästigungen.
So überrascht es kaum, dass Kirks Anhänger nach seinem Tod Reaktionen überwachten und Menschen herausgriffen, die wenig Mitgefühl zeigten. Rechte Influencer forderten massenhaft deren Entlassung. Am weitesten ging eine Website, die seit Donnerstag online war: CharliesMurderers.com. Laut den anonymen Betreibern war es eine „durchsuchbare Datenbank von 20.000 Menschen, die Kirks Mord feiern“. Die Seite listete neben Namen und Fotos auch Social-Media-Profile, Arbeitgeber, Wohnorte und Mailadressen.
Die kanadische Journalistin Rachel Gilmore stand ganz oben auf der Liste, nur weil sie am Tattag schrieb, dass Kirks Tod weitere Gewalt nach sich ziehen könnte. Kurz danach erhielt sie Todes- und Vergewaltigungsdrohungen. „Ich hoffe, es war nur Bluff, aber man weiß es nicht“, sagte sie ROLLING STONE. Sie meldete den Vorfall der Polizei. Viele weitere Betroffene löschten ihre Social-Media-Profile.
Entlassungen und Drohungen
Eine andere Betroffene, Hannah Molitor aus Milwaukee, verlor ihren Job bei einer Kinderbetreuungseinrichtung. Ihr Facebook-Post sprach sich gegen Gewalt aus, kritisierte aber Kirks Rolle im politischen Klima. Nach der Veröffentlichung auf der rechten Hass-Seite LibsOfTikTok erhielt sie Hunderte Drohungen, Bilder von Waffen und sogar die Veröffentlichung ihrer Adresse. „Ich werde nicht zulassen, dass die Mobber gewinnen“, sagte sie. Sie startete eine GoFundMe-Kampagne, die bereits über 2.000 Dollar einbrachte.
Juristen sehen mögliche Sammelklagen gegen die Betreiber der Seite. Bürgerrechtsanwalt J. Alejandro Barrientos erklärte, viele hätten plausible Ansprüche auf Verleumdung, da die Beiträge keineswegs Gewalt verherrlichten. Zudem könne das Portal Anti-Doxxing-Gesetze verletzen.
Rebranding und Abschaltung
Spät am Sonntag kündigten die Betreiber an, die Seite unter neuem Namen CharlieKirkData.org fortzuführen. Dort hieß es, man sammele „rechtmäßig öffentlich zugängliche Daten“ und sei „kein Doxxing-Portal“. Doch auch diese Seite war bis Mittwoch offline. Ob aus Angst vor Klagen oder durch einen Hack, ist unklar. Barrientos sieht in der abgeschwächten Sprache einen Hinweis auf Haftungsangst.
Die Bürgerrechtsanwältin Nora Benavidez nannte das Projekt „gefährlich“ und eine gezielte Einschüchterung. Unter der Trump-Regierung seien rechtliche Schutzwege jedoch kaum effektiv. „Das war ein Versuch, freie Meinungsäußerung zum Schweigen zu bringen“, sagte sie. „Trumps ‚freie Rede nur für mich‘-Haltung ist spaltend und fördert Gewalt.“
Drohungen bestehen fort
Molitor will rechtlich vorgehen, Gilmore schließt dies nicht aus. Beide sagen, die Drohungen hätten zwar nachgelassen, doch die Gefahr bleibe. „Die Vorstellung, dass jemand noch Rache plant – das hält mich nachts wach“, so Gilmore.