Im Sand der Sterne – Spurensuche nach den „Star Wars“-Schauplätzen in Tunesien

Auf Spurensuche zu den legendären „Star Wars“- und „Indiana Jones“-Schauplätzen in Tunesien – von Matmata bis Kairouan.

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Wer die Wüste um Matmata oder Tozeur betritt, sucht nicht nur nach Orten, sondern nach Spuren von Mythen. Hier hatte einst Luke Skywalker seinen Blick über die Zwillingssonnen Tatooines schweifen lassen. Jahrzehnte später hat der Wind manches verschluckt, anderes hat die Zivilisation eingeebnet oder umgebaut. Einige Filmsets aus den 1970ern liegen wie Relikte im Sand, ihre Lehmkuppeln vom Wüstenwind geglättet.

Um Stätten wie die Sidi-Bouhlel-Schlucht wiederzufinden, genügt zwar GPS. Aber Filmtricks und Kamerawinkel machen aus Felsvorsprüngen Canyons und aus Steinbrocken riesige Berge. Wer also genau dort stehen will, wo R2-D2 in „Star Wars“ von den Jawas per Betäubungsschuss niedergestreckt wurde oder Indiana Jones in „Jäger des verlorenen Schatzes“ die Panzerfaust auf Belloq, die Nazis und die Bundeslade richtete („All I Want Is The Girl!“), braucht Fantasie und Entdeckerlust an einem Wimmelbild aus Millionen Sandkörnern.

Man orientiert sich am Faltenwurf der Dünen, an Felsen, die Fans auf alten Fotos vergleichen. Nur ein paar Meter weiter ist man zurück im „Star Wars“-Kosmos, betrachtet die Schlucht, in der das Podracer-Rennen stattfand, den Brocken, auf dem Luke Skywalker von einem Sandmann (ist das der korrekte Singular von „Sandleute“? Wer die Antwort weiß, soll mir mailen!) bewusstlos geschlagen wird (hätten ihn auch töten können).

Die Magie vergänglicher Kulissen

Manche (Natur-)Kulissen stehen noch erstaunlich unversehrt, andere sind kaum mehr als Schatten in der Landschaft. Doch genau darin liegt ein Zauber. Im Wechselspiel aus Vergänglichkeit und Beharrung spiegelt sich das, was „Star Wars“ ist. Ein Märchen, das in einer fernen Galaxis beginnt und in der Gegenwart weiterlebt. Getragen vom „Staub der Zeit“.

Viele Locations aus den in Wüsten spielenden „Star Wars“-Filmen „Eine neue Hoffnung“ (1977), „Die dunkle Bedrohung“ (1999) und „Angriff der Klonkrieger“ (2002) liegen in Tunesien, in das sich Regisseur George Lucas beim Locationscouting verliebte und das er für seine Filme als idealen Schauplatz des Planeten Tatooine auserkor, der auf dem tunesischen Ortsnamen Tataouine beruht. Für die meisten Gebäude filmte Lucas die Außenaufnahmen in Tunesien, die Innenaufnahmen für den ersten „Star Wars“-Film fanden überwiegend in den Londoner Elstree Studios statt.

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Fans von „Indiana Jones“ erkennen diese Schlucht sofort

Auch Lucas’ Freund Steven Spielberg drehte 1980 seinen „Jäger des verlorenen Schatzes“ in Tunesien, das bei ihm für Ägypten herhielt. Die Stadt Kairouan doubelte dabei das namensverwandte Kairo: Hier versuchte Indiana Jones erfolglos, seiner geliebten Marion Datteln anzudrehen, jagte ihren Entführern hinterher und betrank sich dort nach ihrem scheinbaren, durch ihn selbst verursachten Unfalltod.

Einige der „Star Wars“-Orte, wie die legendäre Mos-Eisley-Kantine – ein verrauchter Treffpunkt voller Abschaum, Trinker, Schmuggler und Kopfgeldjäger – stehen in Ajim etwas abgeranzt an einer von vielen Autos befahrenen Straße, direkt gegenüber einem Supermarkt. Bittere Ironie, dass diese Brutstätte des Bösen früher mal eine Moschee gewesen war. Sie sieht – natürlich – kleiner aus als in „Star Wars“. Aber „Star Wars“-Fans vervollständigen in der Fantasie das, was nicht mehr da ist. Eine Mischung aus Kinoillusion und gelebter Realität.

Tourismus zwischen Mythos und Realität

Tunesien wird als „Schwellenland“ bezeichnet, ist also noch kein voll entwickeltes Industrieland. Eine Studie des World Travel & Tourism Council (WTTC) beziffert den Gesamtbeitrag von Reise und Tourismus auf etwa 14 Prozent des gesamten Wirtschaftsvolumens (GDP) für das Jahr 2024 (in Deutschland liegt der Anteil bei 9 Prozent). Tunesien ist abhängig vom Tourismus. Erstaunlich ist daher, dass es so wenige einheimische Anbieter von „Star Wars“- oder „Indiana Jones“-Reisen gibt. Der Grund liegt womöglich in mangelndem Interesse an den Hollywood-Produktionen, mangelnder Verfügbarkeit von Franchise-Materialien oder schlicht in der Tatsache, dass Tunesien als wirtschaftsschwaches Land andere Probleme hat, als eine Memo-Fantasy-Kultur für Touristen aus dem Nicht-Globalen Süden zu pflegen.

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Außenkulisse der Mos-Eisley-Kantine

Wer nach „Star Wars“-Touren googelt, landet daher seltener bei tunesischen Angeboten, sondern bei „GetYourGuide“-Offerten, aber auch bei „Galaxy Tours“ aus dem Vereinigten Königreich. „Galaxy Tours“ ist rein auf „Star Wars“ und „Indiana Jones“ spezialisiert und bietet – neben bis zu sechstägigen Wüstenreisen – auch individualisierte Trips zu vereinzelten Schauplätzen an. Für eine dreitägige Reise (Djerba, Matmata, Kairouan, Tozeur) in SUVs werden schon mal mehr als tausend Kilometer durch die im Oktober 36 Grad heiße Sub-Sahara zurückgelegt – begleitet von einem Fahrer sowie der englischsprachigen Reiseleiterin Safa, die noch im scheinbar trostlosesten Wüstenfleck die entsprechende filmhistorisch wichtige Kulisse entdeckt und auch in Sachen Deleted Scenes Geek-Wissen offenbart: Auch entfallene Filmszenen bieten „Star Wars“-Kulissengold.

Wer sich in den frühen Morgenstunden von Djerba aufmacht, verlässt ein Urlaubsparadies der Neuzeit, um sich in die Relikte einer alten Galaxis zu begeben. Zwischen den Salzwüsten von Chott el-Djerid, den Lehmfestungen von Médenine und den Höhlenwohnungen von Matmata liegen die ersten Überreste des Filmmythos „Star Wars“.

Auf den Spuren von Luke und Indy

Die Tour beginnt also an der Küste von Djerba und führt zu zwei Moscheen, Sidi Jemour und Amghar. Sidi Jemour diente als Außenkulisse der Tosche-Station (deren Szenen es nicht in den fertigen „Star Wars“-Film „Eine neue Hoffnung“ schafften) – jenem von SW-Fans verehrten, nun ja, „Jugendzentrum“, wo Luke Skywalker seine Freunde traf, um wenigstens etwas Ablenkung am trostlosesten Ort des Universums zu finden: „Wenn es im Universum ein helles Zentrum gibt, dann bist du auf dem Planeten, der am weitesten davon entfernt ist.“

Aber was würden wir Erdenbewohner für so eine Tosche-Station geben! Die Sidi-Jemour-Moschee, eine Kulisse für Mos Eisleys Randgebiete, erhebt sich in Wahrheit über dem Meer – George Lucas musste Kameraeinstellungen wählen, die aus der Station ein Wüstennest machten.

In Ajim liegt Mos Eisley, jener „widerwärtige Sündenpfuhl“, wo Luke und Obi-Wan Han Solo trafen. Noch immer erkennt man in den Gassen Spuren der Cantina, die Sturmtruppenkontrolle und den Eingang zu Docking Bay 94. Heute gesäumt von Geschäften, Werkstätten und abbruchreifen Häusern, aber von Fans weltweit identifiziert.

Von Mos Espa bis Sidi Idriss

Über den antiken Djerba-Damm gelangt man ins Landesinnere, in die Region Médenine. Dort stehen die Speicherburgen von Ksar Ommarsia und Ksar Hadada, deren gestapelte Lehmgewölbe einst die Sklavenquartiere von Mos Espa darstellten. In einem dieser Höfe wohnte Anakin Skywalker. Das „Hotel Ksar Hadada“ serviert heute Mittagessen in genau jenem Innenhof. Weiter südlich, hinter dem berühmten Tataouine-Schild, öffnet sich die Wüstenlandschaft, die dem fiktiven Planeten den Namen gab.

Am Nachmittag erreicht man Matmata, wo das Hotel Sidi Idriss tief in die Erde gebaut ist. Ein echtes unterirdisches Höhlenhaus (Troglodytenhaus) mit fünf miteinander verbundenen Höfen. Hier entstanden die Innenaufnahmen der Lars-Farm, Lukes Zuhause. In den kühlen, runden Innenhöfen kann man in Höhlenzimmern übernachten und in der Küche Blaue Milch trinken – genau in jener Küche, in der Luke von Onkel Owen einen Anschiss bekommt (wer konnte ahnen, dass der grummelige Onkel sich Jahre vorher ein Duell auf Leben und Tod mit einer Inquisitorin liefern würde, nur um den Neffen zu schützen – wie in der Serie „Obi-Wan Kenobi“ erzählt? Sein kämpferisches „He is my own!“ hat fast dieselbe Wucht wie Darth Vaders „I am your Father“).

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Das Sidi-Driss-Hotel in Matmata

Die Küche enthält ein wichtiges Detail – das einzige in „Eine neue Hoffnung“ sichtbare Element, das eindeutig einer „Star Wars“-fremden, irdischen Kultur entspringt: Die „Deckenmalereien“ in Lukes Tatooine-Wohnküche sind echte Berber-Ornamente. Ein schönes Beispiel für George Lucas’ Nutzung authentischer nordafrikanischer Architektur.

Zwischen Authentizität und Fan-Erwartung

Die nicht immer euphorischen Bewertungen des Sidi-Idriss-Hotels entsprechen einer falschen Erwartungshaltung. Schlafhöhlen haben naturgemäß keine eigenen Fenster. Sie haben auch keine eigenen Badezimmer. Man sollte sich darüber informieren, was einen erwartet – aber das Areal inklusive Sanitäranlagen ist gepflegt.

Viele Touristen empfinden die Aufbereitung von Lukes Zuhause als lieblos. Mit Plastikutensilien (Billig-Space-Antennen in den Innenhöfen), Plastikkinderlichtschwertern als Reenactment-Angebote und orthografisch falschen Beschriftungen an Wänden („Lars Homstead“) oder Falschnamen auf Zimmerschlüsseln („Princess Leila“). Das alles stellt kein Makel dar, denn Lukes Höhlenzuhause ist ein echter Wohnort, keine Kulisse, und das entschädigt alles. Man sollte sich für den Gedanken, dass eine professionelle touristische Vermarktung und Restaurierung des Hotels eine Aufwertung des Erlebnisses darstellt, aber auch nicht schämen.

Doch erstens ist die Übernachtung billig (zweistelliger Eurobetrag pro Nacht) und – zumindest bei diesem Besuch – exklusiv: ROLLING STONE war der einzige zahlende Gast. Man hat Lukes Höhlenanwesen, fünf Höfe, in kompletter Stille ganz für sich. Man weiß daher gar nicht, ob man sich darüber freuen soll oder nicht, dass Sidi Idriss manche Touristen abschreckt.

Verfallene Welten und lebendige Städte

In den Eriguet-Dünen der tunesischen Sahara liegt auch der Nachbau Mos Espas – der Marktplatz, über den Qui-Gon Jinn, Padmé und Jar Jar Binks laufen, bis zu Wattos Garage sowie die Vorhöfe, auf denen Anakin Skywalker seinen Podracer gebaut hat. Es ist eine eigene kleine Stadt aus Kuppelhütten und nun eine Art Ghost Town. Berber empfangen Touristen, verkaufen Gewänder und Edelsteine, bieten Kamelritte an.

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In den Behausungen von Mos Espa

Die Gebäude greifen die berberische Lehmarchitektur auf und haben bereits einen Sandsturm überstanden. Mehr oder weniger überstanden. Einige Gebäude verfallen, sind löchrig, hinter der Verkleidung kommt Gips zum Vorschein; ihr Inneres steht leer. Das Mos-Espa-Set besteht aus rund 20 Fassadenbauten und Gebäuden und ist mehrere tausend Quadratmeter groß. Auch hier die Frage, warum kein tunesischer Tourismusminister hieraus, ob mit eigenem oder fremdem Geld, einen Erlebnispark machen möchte. Hat Disney mal über eine Investition nachgedacht?

Ein paar Stunden entfernt, bei Tozeur, liegt das Gegenstück des Sidi-Idriss-Hotels, wo Luke Skywalker aufwuchs: der Außenbau des Gehöfts mitten im Salzsee Chott el-Djerid. Zum Sonnenuntergang glühen Himmel und Ebene in orangefarbenem Licht. Die „Binary Sunset“-Szene lebt hier weiter, vielleicht realer als jede CGI-Erinnerung. Ein rundes, einem Krater nachempfundenes Loch neben dem Homestead-Haus soll andeuten, wo es in die Troglodyten-Behausung gehen soll.

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Sonnenuntergang in Lars Homestead

Kairouan – das Herz von Indiana Jones

Für den auf drei Tage verkürzten Trip hat „Galaxy Tours“ logistisches Neuland betreten. Um den Sonnenuntergang in Chott el-Djerid pünktlich um 17.45 Uhr plus einen Besuch der „Indiana Jones“-Kulissen in Kairouan am selben Tag möglich zu machen, muss „Kairo“ am frühen Morgen besucht und gegen Mittag verlassen werden – für eine fünfeinhalbstündige Autofahrt. Aber der frühmorgendliche Gang durch die Gassen der zentraltunesischen Metropole hat einen unschätzbaren Vorteil: Wer im Indy-Cosplay-Modus samt Fedora und Lederjacke unterwegs ist, käme unter der Mittagssonne ohnehin ins Schwitzen.

Kairouan ist eine der heiligsten Städte des Islams (nach Mekka, Medina und Jerusalem) und UNESCO-Weltkulturerbe. Gegründet wurde die Stadt im 7. Jahrhundert. In keinem anderen „Indiana Jones“-Film wurden so viele Szenen an einem einzigen Ort gedreht wie in „Jäger des verlorenen Schatzes“. Versuchen Sie mal, mehr als zwei Drehorte vom „Tempel des Todes“ innerhalb einer Woche abzulaufen. „Mehr Indy als hier“ in Kairouan geht also nicht.

Als Stadtführer durch Kairouan beschäftigt „Galaxy Tours“ Ahmed – einen wortgewandten, lebendigen und zum Reenactment ermutigenden jungen Mann, der an jeder Ecke jemanden grüßen kann. Es geht mit ihm zur Haustür, in der Marion dem Messerstecher eins mit der Pfanne überzog (entschuldigen Sie bitte die Knappheit der Formulierung, aber wer Bescheid weiß, weiß hier Bescheid), dann zur Shisha-Bar, in der ein trauriger Indy mit dem Äffchen spielt, und die jetzt ein Teppichladen ist, weiter zur Gasse, in der der Truck versucht, an Indy vorbeizurasen, zum Marktplatz, auf dem Indy auf den Schwertkämpfer trifft, und schließlich – ein echter USP von „Galaxy Tours“ – zum Zuhause Ahmeds.

Hier, auf dem Dach eines der höchsten Mehrfamilienhäuser Kairouans, wurden die Dachterrassen-Szenen gedreht, in denen Indiana Jones und Marion auf ihren Freund Sallah treffen und die Stadtsilhouette „Kairos“ bewundern.

Ein Blick über die Dächer der Filmgeschichte

Ahmed präsentiert seine sechs Babykatzen und zwei Schildkröten. Seine Tante bietet Tee an. Es gibt Dattelkekse. Ahmed strahlt und wirkt stolz, dass so viele Menschen aus entfernten Ländern in seine Stadt kommen, die meisten in Abenteurerkleidung, und sich wie Kinder freuen, wenn sie über seine Dachterrasse laufen, an Wäscheleinen vorbei.

Gemeinsam blickt man über die Skyline dieser uralten Stadt, die für ihre Einwohner etwas ganz anderes darstellt als für Indy-Nerds, die hier am Ziel ihrer Träume angelangt sein könnten.

Nähere Infos zu Reisen zu den Drehorten von „Star Wars“ und „Jäger des verlorenen Schatzes“ über Galaxy Tours gibt es hier.

Sassan Niasseri
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