Nemo wird als Boykott-Hansel in die Annalen des ESC eingehen
Schweizer ESC-Gewinner Nemo schickt seine Trophäe zurück nach Genf – als Zeichen gegen Israels Teilnahme 2026. Fünf Länder ziehen sich bereits zurück.
Es ist noch längst nicht abzusehen, in welcher Form die ESC-Finals im kommenden Jahr in Wien stattfinden werden. Mehrere Länder, neuerdings auch Island, boykottieren den 2026er-Wettbewerb wegen der umstrittenen Teilnahme eines israelischen Musikers oder einer israelischen Musikerin.Während die deutschen Vorausscheidungen unter der Ägide des Südwest Rundfunks (SWR) und der neuen schwäbischen Produktionsfirma Kimmig Entertainment („Verstehen Sie Spaß“, „Immer Wieder Sonntags“) in der Spur sind, gibt es europaweit immer neue Störfeuer. Man darf gespannt sein, wie sich das Ende Februar 2026 stattfindende „Deutsche Finale“ zu dieser Polit-Causa positioniert.
Nemo kündigt Rückgabe der Trophäe an
Der Schweizer ESC-Pokalsieger Nemo hat nämlich angekündigt, seine im schwedischen Malmö errungene Trophäe mit großer Geste zurückzugeben.„Es geht um die Tatsache, dass der Wettbewerb wiederholt dazu benutzt wurde, um das Image eines Staates aufzubessern, dem schweres Fehlverhalten vorgeworfen wird“, verkündete der nichtbinäre Stimmakrobat auf seinem Instagram-Account.
Der 26-Jährige verwies darauf, dass eine Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates zu dem Schluss gekommen ist, dass Israels Behörden und Sicherheitskräfte im Gazastreifen Völkermord begangen hätten. Laut den Organisatoren des ESC stehe das Event für Einheit, Inklusion und Würde. Doch die Teilnahme Israels zeige einen Konflikt zwischen diesen Werten und den Entscheidungen der Europäischen Rundfunkunion (EBU), so Nemo. Israels Außenministerium hat den Vorwurf des UN-Gremiums kategorisch zurückgewiesen und der palästinensischen Terrororganisation Hamas Völkermord-Absichten gegen Israel vorgeworfen.
Fünf Länder boykottieren den ESC 2026
Die Mitgliedssender der EBU hatten vergangene Woche in einer Sitzung in Genf den Weg für die Teilnahme Israels freigemacht. Als Reaktion darauf wollen bislang Sender aus Spanien, den Niederlanden, Irland, Slowenien und nun auch Island im Mai 2026 keine Künstler in die Donau-Metropole entsenden.
Nemo kündigte in seiner Botschaft an, den Pokal zur European Broadcasting Union (EBU) in Genf zurückzuschicken. „Wenn die Werte, die wir auf der Bühne feiern, nicht abseits der Bühne gelebt werden, werden selbst die schönsten Lieder bedeutungslos“, schreibt er in seiner schmucklos gestalteten Online-Botschaft.
Ergänzend heißt es auf Englisch: „Ich werde der Eurovision-Community, den Fans, die abgestimmt haben, den Künstlern, mit denen ich die Bühne geteilt habe, und den Erfahrungen, die mich als Mensch und Musiker geprägt haben, immer dankbar sein. Diese Entscheidung beruht auf meiner Verbundenheit mit den Werten, für die Eurovision steht, und nicht auf einer Ablehnung der Menschen, die diesen Wettbewerb so besonders machen. Musik verbindet uns nach wie vor. Daran hat sich nichts geändert.“
ESC-Direktor versucht, die Wogen zu glätten
Zunehmend in die Defensive gedrängt, versuchen die Veranstalter indes mit einem Brief an die Fans die Wogen einigermaßen zu glätten. Der Direktor des Eurovision Song Contests, Martin Green, hatte am Donnerstag (11. Dezember) eine Stellungnahme veröffentlicht. Er wisse sehr wohl, heißt es darin, dass die Ereignisse im Nahen Osten in Verbindung mit dem ESC bei vielen Menschen für starke Emotionen sorgten. Einige hätten in Briefen Wut und Schmerz zum Ausdruck gebracht, weil ihrer Ansicht nach über die tragischen Ereignisse geschwiegen werde.
„Ich möchte sagen, dass wir Euch hören. Wir verstehen Eure Gefühle, und es berührt uns genauso“, so seine Ansage. Green wandte sich auch direkt an die Zuschauer in den bisherigen fünf ESC-Boykott-Ländern: „Wir alle hier respektieren ihre Position und Entscheidung“. Er hoffe, dass die Sender jedoch sobald wie möglich wieder in den Schoß der ESC-Gemeinde zurückkehren würden. In einer gespaltenen Welt komme dem Neo-Schlager-Wettbewerb die Aufgabe zu, „einen Raum zu bieten, in dem Millionen Menschen das Gemeinsame feiern können“.
Selbstdarsteller Nemo sieht das komplett anders
Als Figur der längst abgehakten 2024er-Finals wäre es ihm durchaus angeraten, sich einfach um seine Kunst zu kümmern. Sein im Oktober 2025 erschienenes Album „Arthouse“ darf als ein Kessel Buntes bezeichnet werden. Ein Pop-Knallbonbon der süßlichen Sorte. Ganz nett, aber nichts, was die Welt wirklich braucht.
Vielleicht sollte er seine Israel-Aversion im Wesentlichen privat pflegen, was ihm natürlich ausdrücklich gestattet ist. Warum er sich aber nun durch eine digitale Heckenschützen-Aktion wieder ins Rampenlicht bringt, ist sein Geheimnis. Vom Musik-Schaffenden bleibt auf diese Weise irgendwann nichts mehr übrig. Er wird als Boykott-Hansel in die Annalen des ESC eingehen. Viel Spaß damit.