Absichtlich außer Kontrolle

Der Songschreiber Steve Wynn hat seine fulminante Wüsten-Trilogie nun lärmend abgeschlossen

Daß Steve Wynn begnadete Songs schreiben kann, wissen wir schon seit den Achtzigern, als er noch bei Dream Syndicate in die Gitarre haute. Daß Steve Wynn stinkreich ist, Spielcasinos und Hotels besitzt und teure Kunst sammelt, verschweigen die meisten Biographen. Was daran liegen könnte, daß es sich dabei um einen anderen Steve Wynn handelt. „Der ist in den USA viel berühmter als ich“, sagt der einzig wahre Steve Wynn. „Ich habe ihn noch nie getroffen, aber mal in einem seiner Hotels eingecheckt, meinen Ausweis gezückt und gehofft, ein supertolles Zimmer zu kriegen – das hat aber nicht geklappt.“

Der Songwriter Steve Wynn braucht aber keine Casinos, um seine Spielsucht zu befriedigen. Er tobt sich lieber im Aufnahmestudio aus: „Studios sollten nicht dazu da sein, um kontrolliert zu arbeiten, sondern um herumzuexperimentieren. Und das ,Wavelab‘-Studio in Tuscon gleicht eher einem Spielzimmer als einem professionellen Studio.“

Dort hat Wynn bereits zum dritten Mal mit seiner Band Miracle 3 seinen Spieltrieb ausgelebt. „.. .tick… tick… tick“ beendet die Wüsten-Trilogie, zu der auch „Here Come The Miracles“ (2001) und „Static Transmission“ (2003) zählen und die zu den besten Alben gehören, die in den vergangenen Jahren im Americana-Genre veröffentlicht wurden. „Diese dritte Platte ist lauter und aggressiver als die beiden anderen. Ich glaube, mein innerer New Yorker hat mehr und mehr versucht, rauszukommen, und ich habe mich nicht dagegen gewehrt.“

Davon, einfach etwas geschehen zu lassen, handelt auch die Breitwandballade „The Deep End“, ein zentrales Stück des Albums: ,Es kann sehr aufregend sein, die Kontrolle zu verlieren“, sagt Wynn, der sich mit seiner Band auch bei der Miniatur-Rockoper „No Tomorrow“, die das Werk beendet, treiben ließ: „Ich bin da echt stolz drauf. Wir hatten überhaupt keinen Fahrplan: Alle Gitarrenparts sind improvisiert und live eingespielt. So mag ich Musik. Ich liebe es, überrascht zu werden. Die meisten Menschen, vor allem Musiker, sind dann am besten, wenn sie außer Kontrolle sind.“

Während der Musiker Steve Wynn jetzt mit seinen neuen Songs auf Ochsentour geht in Deutschland hat er allemal eine treuere Gemeinde als in den USA -, baut der andere gerade eines der teuersten Hotels der Welt. Doch der Songwriter gibt sich altersweise: „Ich hab keine Ahnung, was ich machen würde, wenn ich so viel Geld wie der hätte. Ich weiß nur: Wäre ich als 2OJähriger durch die Musik superreich geworden, hätte ich mich in ein Monster verwandelt. Jetzt hätte ich einfach nur eine gute Zeit.“

Aber die hat er auch mit bescheidenem Einkommen.

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