Alejandro Escovedo

Mit seinem Sextett zelebriert der Songwriter Alejandro Escovedo die elegischen Momente, ist aber auch immer für eine Glam-Rock-Verbeugung gut

Viel zu lange, ja eine kleine Ewigkeit ist es her, dass Alejandro Escovedo auf deutschen Bühnen zu sehen war. Und den Verfasser dieser Zeilen plagt immer noch ein schlechtes Gewissen, dass er indirekt zumindest für eine gewisse Zeitspanne dazu beigetragen haben könnte. Es begab sich nämlich zu der Zeit, als zusammenwachsen sollte, was wohl zusammengehört, dass der Songwriter aus Austin/Texas mit seinem inzwischen längst verblichenen Projekt The Setters (mit Michael Hall und Walter Salas-Humara von den Silos) auf den ebenso längst verblichenen ,“Berlin Independence Days“ auftrat und dann noch kurzfristig einen quasi privat gebuchten Solo-Auftritt im Hamburger Club „Kir“ (vor etwa 15 Leuten) absolvierte.

Drumherum blieb dem neugierigen Escovedo noch Zeit für ein bisschen Sightseeing, und ich schlug einen Ausflug nach Schwerin vor. Keine wirklich gute Idee. Denn auch dort tobte sich gerade der frisch erwachte „Nationalstolz“ nach der Wende aus, der natürlich auch einen Mann treffen musste, dessen mexikanische Roots in seiner Physiognomie recht deutlich abzulesen sind.

Eine Dekade nach diesem unerfreulichen Intermezzo hat der „Artist Of The Decade“ der amerikanischen Americana-Bibel „No Depression“ eben diesen Wurzeln ein kleines Denkmal auch auf der Theaterbühne gesetzt Im Stück „By The Hand Of The Father“, das im Sommer 2000 in Los Angeles Premiere hatte, erzählt Escovedo die Geschichte der Einwanderergeneration seiner Großeltern, die sowohl um US-Assimilation als auch Wahrung mexikanischer Identität bemüht war.

Für die in diesem Sommer veröffentlichte Musik dazu grub er auch frühes Solo-Material („Ballad Of The Sun And The Moon“) aus sowie mit „Hard Road“ sogar einen Song, den er bereits Mitte der 80er Jahre mit seinem Bruder Javier für ihre gemeinsame Roots-Rock-Band True Believers geschrieben hatte.

Den Spagat seiner Ahnen hat Alejandro Escovedo musikalisch lange nachvollzogen. In Austin unterhielt er zeitweilig neben einem kleinen Orchester auch eine laute Rock-Band (Buick McKane) auf den Spuren der Stooges. Auf seinem letzten „richtigen“ Album „A Man Under The Influence“ konnte Escovedo im letzten Jahr die verschiedenen Stränge seiner Songwriter-Identität zu einem Meisterwerk bündeln.

Die Besetzung seines aktuellen Live-Sextetts – ein klassisches Rock-Line-up plus Cellist Steve Bernal – lässt erahnen, dass die elegischen Momente auf der Tour nicht zu kurz kommen sollen. Doch ist Escovedo stets auch für eine krachende Glam-Rock-Verbeugung vor Ian Hunter oder David Bowie gut Schließlich stand er anno ’78 schon beim letzten Konzert der Sex Pistols in San Francisco mit seinen Nuns als Vorprogramm auf der Bühne.

Und die deutschen Veranstaltungsorte, sehr kleine Clubs allesamt, lassen schwitzige Verhältnisse erwarten ganz wie in den Musikschuppen von Austin.

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