Alle vier Jahre ein neuer Wurf: Diesmal versucht DIETER WEDEL für das ZDF mit „“Die Affäre Semmeling“ die Nation an sechs Abenden am Bildschirm zu vereinen

Der neue Wedel also. Dieser ebenso schlichte wie huldvolle Satz reicht, um die Fernsehgemeinde aufhorchen zu lassen, als raune jemand: Gott spricht. Es ist ein Attribut aus der Ära von New Hollywood in den Siebzigern, als die Dominanz der Regisseure die Zugkraft schauspielender Stars ablöste. Man sprach vom neuen Scorsese, Coppola, Altman, da sie ihre Filme unverwechselbar, eigenwillig, allmächtig inszenierten und auch darüber hinaus als Exzentriker auffielen.

Dieter Wedel ist gewiss ein Egozentriker: ein Saurier des großen Fernsehspiels und der letzte Straßenfeger, berüchtigt als Schürzenjäger und Schauspielerantreiber. Seit 34 Jahren wühlt er sich von der Politik, Wirtschaft bis zum Urlaubsverhalten durch bundesdeutsche Realitäten, woraus er fast immer selbst die Drehbücher verfasst hat Nach einem Dutzend oft prämierter Fernsehfilme in den 70er und 80er Jahren krönte er sich zum uneingeschränkten Herrn des fast schon anachronistischen Mehrteilers, als er 1993 mit „Der große Bellheim“ auch bei den Quoten die Privatsender düpierte.

„“Die Affare Semmeling“ heißt nun der neue Wedel, der vom 2. Januar an sechs Mal im ZDF läuft. Das sind zwei Abende mehr als beim „“Bellheim“, ist ein Teil länger als „Der Schattenmann“ und sind ebenso viele Folgen wie „“Der König von St. Pauli“, der zuletzt beim Publikum und bei der Kritik durchgefallen war. Das Scheitern seiner langatmigen, klischeehaften Milieu-Saga in den Kiez-Kulissen der Bavaria Studios sah er allerdings schmollend in den zu vielen Werbeinseln von SAT.l. Immerhin hat er seinen eisernen Ruf der Unfehlbarkeit zu verlieren.

So hat Wedel, vom ZDF mit 27 Millionen Mark alimentiert, diesmal einen Aufwand betrieben wie noch nie. Die Reihe der Gesprächspartner und Berater für seine neunstündige Geschichte über Steuerverhältnisse, Begünstigungen und Parteiintrigen im Hamburger Rathaus ist fast so enorm wie die Besetzungliste, reicht von Beamten und Anwälten bis zu Helmut Markwort und Gerhard Schröder. Grundidee ist der leidige Frust eines jeden mit dem Finanzamt, den er bereits 1972 im Dreiteiler „“Einmal im Leben“ am Beispiel der Eheleute Semmeling beim Hausbau gezeigt hat. Zwar ist er noch immer kein großer visueller Gestalter. Wie Wedel seine Kolportage aus Otto-Katalog, Sittengemälde und peniblen Recherchen gekoppelt mit dem Volksverdruss über Machtdünkel und Spendenaffaren jedoch durchhält, das ist durchaus sehenswert.

Zwei Dutzend populäre Darsteller hat Wedel eingesetzt. Und obwohl er als Choleriker, selbstherrlicher Pascha und Pate gefürchtet ist, zwitschern Wedel-Debütanten wie Heike Makatsch wieder masochistisch, es sei eine fantastische Erfahrung gewesen. Das Gerüst bildet seine Fernsehfamilie, ein Männerbund aus Mario Adorf, Heinz Hoenig und Stefan Kurt. Auch Boris Becker könnte irgendwann dazu gehören, den hält er nämlich für einen guten Schauspieler, während er über die Feldbusch und Elvers meint, ein Verhältnis mit einem bekannten Mann rechtfertige keinen Auftritt in diesem Beruf. Heiner Lauterbach hat er mal charakterisiert als einsamen, sensiblen Menschen, der von einem Zuhause träumt und doch nicht daran glaubt, was Lauterbach geschmeichelt hat, “ weil es so schwer ist, ihm zu gefallen“. Vielleicht hat Wedel ja auch von sich selbst gesprochen. Neben Lebensgefährtin und Langzeitgeliebter wird ihm bei jeder Produktion eine Liasion nachgesagt. Im „St. Pauli“-Separee war er mit Julia Stemberger. „“Die Affäre Semmeling“ soll Beate Maes heißen.

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