Alles für den guten Song

Still und stark: John Fullbright ist das größte Talent der jungen Americana-Generation

Als John Fullbright sein zweites Album aufnahm, war er unsicher: Darf eine Platte so ruhig sein? Mit seinem Debüt hatte der US-Amerikaner aus Okemah, Oklahoma seine Musik mit einer kräftig knarzenden Americana-Band gespielt und dafür viel Applaus sowie eine Grammy-Nominierung bekommen. Doch viele Arrangements des zweiten Werks, „Songs“, entwickelten sich während der Aufnahmen vom großen Drumherum zur Reduktion. „Ich habe mich zunächst nicht getraut, die Lieder so klein zu machen“, erklärt der Sänger, Gitarrist und Pianist, „ich hatte Angst, mein Publikum zu überfordern.“

Doch sein Publikum wird nicht überfordert sein. „Songs“ ist eine Hommage an das gut komponierte Lied, das Fullbright am Klavier und an der Gitarre freilegt – selbst in den ganz stillen Momenten vermisst man nichts, so klug und überzeugend sind diese fabelhaft geschriebenen Lieder, die manchmal Instant Classics sind und immer auf einer konsequenten musikalischen und textlichen Ökonomie fußen. „Mir geht es um gutes Songwriting“, erklärt Fullbright. „Ich bin ja nicht so weit gekommen, weil ich gut tanzen kann oder hübsch aussehe.“

Dass Fullbright sich mit einer Weniger-ist-mehr-Haltung wohlfühlt, hat wohl mit seiner Sozialisation zu tun. Fullbright stammt aus einer amerikanischen Arbeiterfamilie, die Mentalität ist die des alten Oklahoma. „Da, wo ich herkomme, reden die Männer nicht viel“, erklärt er, „mein Vater und mein Großvater denken manchmal minutenlang nach, bevor sie auf eine Frage antworten. So eine Haltung hat mit Geografie und Geschichte zu tun, aber vor allem mit Arbeit. Langer, harter Arbeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Die Menschen in meiner Familie hatten keine Zeit zu reden. Und wenn dann jemand sehr viel redet, na ja, dann halten sie ihn für einen Spinner. Dass ich auch so bin, reflektieren meine Lieder – ich mag es ökonomisch. In einen Raum voller laut redender Menschen stelle ich mich in die Ecke und beobachte, anstatt um Aufmerksamkeit zu buhlen.“

Fullbright wird weiterhin als Americana-Künstler wahrgenommen werden, obwohl sein Songwriting eigentlich zu universell für eine solche Einordnung ist. Kein Problem für den Sänger. „Wenn es den Begriff Americana nicht gäbe, hätte ich ihn erfinden müssen. Ich mag so viel verschiedene Musik – von 70s-Pop über Boogie Woogie bis zum Country -, und lange hatte ich das Gefühl, ich müsste mich entscheiden. Jetzt bin ich ein Americana-Künstler und kann all das darunter zusammenfassen, ohne einen diffusen Eindruck zu machen.“

Noch eine andere Stärke hat „Songs“: Fullbright versteckt sich nicht hinter seinem Handwerk, sondern erzählt Geschichten, in denen er etwas von sich preisgibt. „Dieser Job ist wie ein Muskel, du musst ihn trainieren. Am Anfang war ich sehr generell, sehr unspezifisch – bei dem ersten Album haben Leute manchmal Dinge falsch verstanden, zum Beispiel die religiösen Bilder in den Texten – manche Leute wollten mich darauf festnageln. Ich denke, ich habe nicht gut getextet, wenn das die Reaktion ist. Bei dem neuen Album sind die Texte persönlicher und eindeutiger. Ich spüre das an den Reaktionen: Wer es hört, identifiziert sich oder eben nicht, niemand löchert mich mit Fragen, was dieses oder jenes bedeuten soll.“ Ist das ein sicheres Zeichen für einen guten Song? „Man weiß ja nie, was ein guter Song ist, aber für mich habe ich dann etwas erreicht, wenn ein Song viele verschiedene Bedeutungen haben kann. Wenn zum Beispiel ein Liebeslied nicht unbedingt von einem jungen Paar, sondern auch von zwei guten Freunden oder von einem Vater und einem Sohn handeln kann. Wenn dein Lied für sehr viele Menschen etwas sehr Spezifisches bedeuten kann, dann hast du einen verdammt guten Song geschrieben. Ich bin nicht sicher, ob ich schon so ein Lied habe, aber ich habe schon welche gehört.“

Dass Fullbright nun in seiner Musik persönlicher wird, hat auch Konsequenzen für die Bühne. „Da verändert sich gerade etwas: Oft denke ich, ich brauche eine Band, um lauter zu sein als ein lautes Publikum. Aber auf der anderen Seite entsteht eine andere Intimität, wenn ich allein bin – ich kann mit dem Publikum reden, als säßen sie direkt neben mir in meinem Wohnzimmer. Ich schätze, mein Selbstbewusstsein wird größer. Das ist ja ein Klischee, aber es ist auch die Wahrheit: Am Anfang bist du unsicher, wer du bist und was du tun solltest, dann findest du langsam deine Rolle. Ich bin einen weiten Weg gegangen und unterwegs ein anderer Mann geworden. Jetzt bin ich klarer, persönlicher – in meinen Liedern, aber auch als Mensch insgesamt.“

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