Als der Soul in die Discos abwanderte, erschienen Sly Stone und George Clinton als die radikalen, stilprägenden Erneurer

Er war der Totengräber des Soul, der aber beim Zuschaufeln des Grabs eine neue Epoche schuf: Kein anderer hat in den 70er Jahren mehr bewegt als Sylvester Stewart, den sie in den mean streets seiner Heimatstadt Vallejo nur Sly nannten. Niemand hat mehr bewegt, und niemand hatte mehr Einfluß auf das, was nach ihm kommen sollte. Weil er bereits alles angedeutet hatte. Oder es vorweggenommen hatte.

Und programmatischer als „A Whole New Thing“ ist seitdem kein Debüt-Album benannt worden. Sly and the Family Stone hämmerten den lethargisch dahinsiechenden Rhythm’n‘ Blues per Skalpell-Gebläse auf solides Rockgestein und reichten das Ergebnis mit der Samurai-Diziplin einer Soulband schließlich von Instrumentalist zu Sänger und zurück, ohne, daß es feste Rollenzuweisungen gegeben hätte.

Was herauskam, war unerhört-ungehört, schlug mit links sämtliche kasernierenden Standarddoktrinen zu Klump und stiftete nicht zuletzt durch eine zwar hanebüchene, gleichsam aber Schwarz und Weiß und überhaupt alles und jeden integrierende VHS-SelbstGndungskurs-Philosophie – „Everybody Is A Star“, „Yoy Can Make It If You Try“, „Sing A Simple Song“ heillose Verwirrung: „Is this love baby, or is it, uh… confusion??“ soll Jimi Hendrix gefragt haben, als er Sly and the Family Stone zum ersten Mal zu Ohren bekam. Who the fuck knows?

George Clinton wußte – und bediente sich. Liebäugelte zwar mit Hendrix und Zappa, filetierte aus dem fetten Family Stone-Klangkörper aber nur bestimmte Stückchen heraus, die er unter seiner Ägide (und unter kräftiger Zuhilfenahme bizarrer Kostümierungen und noch bizarrerer „black science fiction“-Theorie Gerüste) vom Stigma der Entertainment-Muzak befreite und ihnen die höheren, intellektuellen Weihen zusprach. Dyke and the Blazers, die Watts Band und Kool and the Gang haben alle vor Clinton Funk gespielt, hatten aber eher und mehr bei James Brown vorbeigeschaut (Stakkatogebläse! Percussion-Breaks! Kniewackeln!) – Dr. Funkenstein aber erwies sich beim eklektischen Soundsammeln als Sly-Eleve reinsten Wassers. Klaute dessen eckige Dancefloor-Grooves („Free bur Mind (And Your Ass Will Follow“), das Bassploppen bis zum wunden Daumen und die offensichtlich unkontrollierbaren Bläsersätze allesamt Variationen der Sly’schen Innovation. Vor allem aber übernahm er Slys musiktheoretische Anarchie – etwas, das der Konkurrenz vollkommen abging.

Wenn Sly der Grundsteinleger des Funk war, dann war George Clinton der Chefarchitekt. Angetreten „to save dance music from the blahs“, zelebrierte Clinton Mitte der Siebziger mit seinen Formationen Funkadelic und Parliament ein fortwährendes Space Age Mardi Gras aus mitreißenden Rhythmen, wirren Melodiebögen und weggetretenen Thematiken. Gleichzeitig jedoch zog er gegen jene zu Felde, denen er den „Fake The Funk“-Vorwurf machen konnte.

Denn Clinton war in seinem Universum nicht allein – da waren noch die anderen, die antiseptischen, Earth, Wind & Fire -jugendfreie Skywalkers, mit denen nun Darth Vader Clinton um die Macht in der Funk-Galaxie focht Auch Earth, Wind & Fire lebten nicht ganz in dieser Welt, verbanden sie doch mit Chuzpe altägyptische Mythologien mit neutestamentarischen Heilslehren. Technisch zwar brillant, schöpften E, W & F dennoch aus der gleichen Quelle: Sly and the Family Stone.

Der hatte sich längst zurückgezogen, zerbrochen an Exzentrik und Zeitläufen. Sein Erbe aber lebt weiter: in „Kiss“ von Prince, in Ice Cubes Raps, in jedem HipHop-Sample.

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