Alte Geister wecken

Neben der Wiedergeburt von Soft Cell hat MARC ALMOND noch genügend Zeit für seine Solowerke

Marc Almond ist todmüde. Die Nacht im Luxushotel war schlecht, aber das ist dem Sänger nach langen Jahren als fahrender Musikant eine bekannte Erfahrung. Almond litt lange an Insomnia, und die mühsam trainierten Routinen und Rituale zur Bezwingung des Übels funktionieren nur zu Hause so richtig.

„Man gewöhnt sich daran“, sagt er mit wegwerfender Geste, doch das zu glauben fällt schwer. Der hagere Sänger ist nervös, ruhelos, und die seltsame Mixtur aus kaum verhohlener Unsicherheit und dem Habitus des Popstars verleiht Almond eine seltsam zerbrecruiche Aura. Eben die ließ Marc Almond einst zur Diva werden, zum Flaggschiff der britischen Pop/ Wave-Szenerie und zur Ikone allerlei ganz verschiedener Lager.

17 Jahre nach dem arg vorzeitigen Ende hat sich seine ehemalige Band Soft Cell reformiert. Das habe natürlich nichts mit dem zurzeit im UK auf Schrecklichste grassierenden 80s-Revival zu tun, beteuert Almond. „Wir hatten lange Angst, all die alten Geister zu wecken und wie eine blöde Jukebox zu klingen, aber schließlich überwog doch das Gefühl, Soft Cell nie zu dem gemacht zu haben, was es hätte sein können.“

Bevor sich Almond und Kollege David Ball im nächsten Jahr an ein neues Album trauen, geht’s jetzt erst mal auf Konzertfahrt. Einige Tourneen sind gebucht, und im nächsten Sommer werden dann Soft Cell, die Pet Shop Boys und einige andere Künstler gleichgeschlechtlicher Präferenz den USA das schon für dieses Jahr angekündigte Tour-Package bescheren, das Wbtapalaver heißt, Perry Farrells Alterna-Zirkus Lollapalooza lustig verhohnepipelnd.

Das G-Wort wird aber nicht so laut gesagt „Gerade in Texas wäre das wohl nicht besonders werbewirksam“, grinst Almond, „am Ende kommt noch der Ku-Klux-Klan und verbrennt uns alle.“ Bevor die große Musikreise beginnt, ist Almond in eigener Sache unterwegs. „Stranger Things“ ist der Titel seines neuen Albums, einem hochtrabenden Ding aus glorioser Bassey-Grandeur und emphatischem Musicalpathos, das die vielen, manchmal etwas ziellos eingesetzten Begabungen Almonds ganz gut auf einen Punkt bringt. „Mein reifstes Album“, sagt der Künstler gar nicht unrichtig. Das zu den Menschen zu bringen, ist nun das vorrangige Anliegen. „Klar machen jetzt viele Druck wegen der Soft Cell-Reunion, aber die werden sich gedulden müssen.“ Klingt nach vollem Zeitplan. „Stimmt Tatsächlich gibt es in den nächsten Monaten wohl keinen einzigen freien Tag.“ Bad newsforan insomniac.

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