Von Midlife-Crisis und Casting-Wahn: Nach 18 Jahren haben SOFT CELL ein neues Album aufgenommen

Wenn Marc Almond Interviews gibt, braucht er nichts zu trinken, keine Kekse und nicht mal seinen Kollegen Dave Ball. Als der zwei Minuten nach der vereinbarten Zeit noch nicht da ist, will Almond unbedingt alleine anfangen. 18 Jahre sind zwischen dem letzten und dem aktuellen Album von Soft Cell vergangen, aber das ist ja kein Grund, jetzt weiter Zeit zu verschwenden.

„Cruelty Without Beauty“ heißt das neue Werk, aber es klingt nicht so, im Gegenteil: Soft Cell machen, was sie immer am besten konnten: Elektro-Pop mit viel Pathos und einigem Witz. Sogar Selbstironie gelingt ihnen – sie haben schon damals ihren Ruhm nicht so ernst genommen, und jetzt wetten sie gleich gar nicht darauf, dass sie Millionen Alben verkaufen werden. Ball: „Selbst wenn wir nur 50 Stück verkaufen, springe ich nicht aus dem Fenster.“ Almond: „50 Stück? Doch, dann springe ich!“ Gelächter. Das angebliche 80er-Jahre-Revival ist ihnen auch egal, viel mehr nervt Almond der grassierende Casting-Wahn: „Als wir mit Soft Cell Anfang der 80er Jahre unterwegs waren, gab es zwar auch schon diese nach Marketingstrategien fabrizierten Bands, aber man hat wenigstens versucht, das zu verbergen!“ Ball lacht aus vollem Hals. Die beiden verstehen sich. Sie haben sich auch in den 18 Jahren „dazwischen“ immer wieder getroffen, aufgenommen, geredet. „Aber erst vor vier Jahren“, so Ball, „wurde es ernst. Keine Ahnung, ob dieses Album nun in diese Zeit passt Es ist eben Soft Cell.

Modern, aber eindeutig Soft CelL“ Verändert haben sich vor allem die Themen. Im Song „Whatever It Takes“ berichtet Almond von seiner Midlife-Crisis: „Wir sind nun mal nicht mehr 20, und viele der Soft Cell-Hörer auch nicht Plötzlich steht man bei Konzerten nicht mehr vorn in der Mitte, sondern hinten, um auf die Kinder zu warten. Naja, auf mich trifft das natürlich nicht zu, ich stehe ja auf der Bühne.“ Almond, der keinen Hehl daraus macht, dass ihm sein Hit „Tainted Love“ oft zum Hals raushängt, kann froh sein, dass er überhaupt noch lebt: „Ich habe den Wechsel von einem völlig kranken zu einem abartig gesunden Leben geschafft Mal sehen, wie lange ich das durchhalte.“ Immerhin hat er wenig Zeit, an Drogen zu denken: Nebenbei arbeitet er am Album „Heart On Snow“, auf dem er russische Torchsongs singt. „Von Soft Cell ist das freilich weit entfernt.“ Ball lacht schon wieder: „Ein Glück!“

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