Antony

Durch TV-Serien wie „Will & Grace“ und „The L Word“ war Homosexualität natürlich schon längst ein Thema der US-Unterhaltungsindustrie geworden. Doch als der taiwanesische Filmregisseur Ang Lee eine homoerotische Kurzgeschichte der kanadischen Autorin Annie Prouxs mit den Stars Heath Ledger und Jake Gyllenhall in den Hauptrollen ins Kino brachte, war das einigen Kritikern doch nicht ganz geheuer. „Brokeback Mountain“erzählt von zwei Cowboys, die sich in der Weite des amerikanischen Westens unter dem Druck der Moralvorstellungen des prüden Amerikas der 50er Jahre sexuell näher kamen. Dass sich seitdem nicht viel verändert hatte, zeigten einige konservative Kommentatoren, die in dem Film einen Anschlag auf das Sinnbild des amerikanischen Traumes schlechthin sahen. Man könne den Kampf gegen die Islamisten nicht mit schwulen Cowboys gewinnen, wetterten sie.

Während sich im Westen die Cowboys Oscar-verdächtig näher kamen, kartogrqfierte im Osten der Vereinigten Staaten ein imposantes Geschöpf in Frauenkleidern ein neues Land der unbegrenzten Möglichkeiten. „One day I’ll grow up, I’ll be a beautiful woman/One day I’ll grow up, I’ll be a beautiful girl/ But for today I am a child, for today I’m a boy“, hauchte es mit hoher Stimme.

Aus der Perspektive eines Wesens, das die sexuelle Teilung in männlich und weiblich transzendiert hatte, gab Antony Hegarty auf dem Album „l’m A Bird Now“ zu der betörenden Musik seiner Band The Johnsons eine neue, queere Perspektive auf die Welt, formulierte ein existenzialistisches “ Yes We Can“, das der repressiven Politik des -für viele unfassbar – wiedergewählten George W. Bush zum Präsidenten der Vereinigten Staaten wie eine große, hoffnungsvolle Utopie entgegenstand. In Zeiten, in denen die Privatsphäre im Kampf gegen den Terror nichts mehr galt, rief „I Am A Bird Now“ eine friedliche Revolution der Intimsphäre aus.

Während Antony & The Johnsons ihre Songs sprechen ließen, gehörten bei Konzerten und Interviews vieler US-Künstler weitaus weniger subtile Anti-Bush-Statements in den nächsten Jahren zum guten Ton. Spätestens nachdem der Hurricane Katrina Ende August 2005 über New Orleans gefegt war und eine tragische Flutkatastrophe auslöste, bei der das Herz der amerikanischen Musik versank, während Bush junior tatenlos zusah, wehte dem ungeliebten Präsidenten dann auch aus eigenen Reihen ein starker Wind entgegen. Die zahlreichen Benefizkonzerte gerieten im Anschluss zu regelrechten Kundgebungen. Auch beim „Live 8“-Spektakel im Juli kämpften Musiker wie U2, Paul McCartney und die für diesen Anlass einmalig wiedervereinigten Pink Floyd im Juli 2005 für eine bessere, gerechtere Welt. Mit diesem aus zehn über den Globus verteilten Konzerten bestehenden Megaevent sollte Druck auf die Regierungschefs der G8-Staaten ausgeübt werden, die sich zeitgleich im schottischen Gleneagles trafen, um unter anderem den Schuldenerlass für Dritte-Welt-Länder voranzutreiben.

„Wir wollen nicht euer Geld, wir wollen eure Stimme“, erklärte Organisator Bob Geldof, der 20 Jahre zuvor für sein Engagement bei „Live Aid“ zum Ritter geschlagen worden war, den etwa zwei Milliarden Zuschauern. Insgesamt wurden bei diesem weltweit größten Medienereignis 24 Millionen Stimmen gegen Armut gesammelt. Die G8-Länder schrieben in Gleneagles den Schuldenerlass für 18 der ärmsten Staaten, darunter 14 afrikanische Länder, mit einem Betrag von 40 Milliarden Dollar fest. Dieser erste Schritt zu einer gerechteren Welt wurde jedoch von den Terror-Anschlägen auf Londoner U-Bahnen und Busse überschattet.

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