Anwältin des Herzens

Annette Frier und die Gerechtigkeit siegen bei der wunderbaren Serie „Danni Lowinski“ auf Sat.1.

Wenn sie auf die Stoppuhr drückt, dann läuft die Zeit: Bei Danni Lowinski kostet eine Minute Rechtsberatung einen Euro – ich könnte mir aber vorstellen, allein für einen Gesichtsausdruck von Annette Frier einen Heiermann zu zahlen. Unter denjenigen, die sich an den absurden Tarif halten wollten, waren ihr Vater und ein 15-jähriges Mädchen, das seinen Freund zu heiraten gedachte – der im Rollstuhl sitzende Vater weigerte sich, in öffentlichen Verkehrsmitteln seinen Schwerbehinderten-Ausweis vorzuzeigen, denn seine Behinderung sei ja offensichtlich.In beiden Fällen verdiente Lowinski nichts – für den Vater musste sie schließlich einen Kollegen engagieren, der den Bagatellfall verhandelte, und die jugendlichen Verliebten wurden zwar zu aller Zufriedenheit hingehalten, zahlten aber nichts für die eher mitmenschliche Hilfe der patenten Blondine.

Die Serie „Danni Lowinski“ folgt der Formel von Steven Soderberghs Film „Erin Brockovich“, der trotz des sperrigen Titels ungemein populär wurde: Julia Roberts spielt eine recht schludrige, aber prinzipienfeste, temperamentvolle und zupackende Anwaltsgehilfin, die mit Fleiß und Intuition einen gewaltigen Atomskandal aufdeckt. Albert Finney ist der Anwalt, der ihr Treiben zunächst widerwillig begleitet und dann bewundernd unterstützt – vor allem, weil er seine Klitsche und seinen Lebensabend damit rettet, aber auch, weil die Brockovich, also die Roberts natürlich umwerfend ist. Auch Meg Ryan oder Helen Hunt, nicht aber Nicole Kidman oder Helena Bonham Carter hätten diese Rolle so interpretiert, dass die Zuschauer zu Tränen gerührt sind und mehr noch in Begeisterung schwelgen, wenn die Gerechtigkeit gleich doppelt siegt.

Wenn Annette Frier einen sexistischen Richter vorgeführt hat und in einer wunderbaren Einstellung den langen Trakt im Gerichtsgebäude entlangstiefelt, „Yesss!“ zischt und die Faust ballt, dann ist es nicht jenes Ich-find-mich-gut-,,Yesss!“, das man in Kaffeehäusern, Büros und Kantinen beobachten kann und das der „Yogurette“-Werbung oder eben den Fernsehserien entstammt. Oder vielmehr: Es IST dieses „Yesss!“, aber Danni Lowinski feiert damit einen Triumph, nachdem sie eine bittere Lektion lernen musste. Der Richter, der sie begrapscht hatte, war sich zu Recht vollkommen sicher darin, dass die Menschen nur glauben, was sie sehen – hier einen unwahrscheinlich attraktiven, beinahe noch jungen und dezenten Rechtsgelehrten mit ironischem Lächeln, dort eine „schlampig gekleidete Ex-Friseuse“, wie er mokant bemerkt. Es war schlimmer als eine Beleidigung, und Danni ließ sich Zeit, um es dem Kerl heimzuzahlen.

Dass die Lowinski auf dem zweiten Bildungsweg zur Anwältin wurde, glaubt man so gerade – die Note 3,2 glaubt man sofort. Sie hat das Herz auf dem rechten Fleck, sie verfügt über Gefühl und Schläue – intellektuell und geduldig ist sie dagegen überhaupt nicht. Am Ende der ersten Staffel gewann und verlor sie den blendenden Dr. Schmidt (Jan Sosniok), einen Spitzenanwalt, der mal nicht als alertes Ekel angelegt wurde, das erst geläutert werden müsste. Der distinguierte Anzugträger hat „Karten“ fürs „Konzert“ – woraufhin Danni 280 Euro für ein Kleid ausgibt. Am Abend holt Schmidt sie ab – und trägt Jeans und eine sportive Lederjacke, weil es sich um ein Konzert von Bon Jovi handelt, den Danni als „abgehalfterten Rocker“ bezeichnet, den sie noch nie mochte. „Das ist doch ein bisschen übertrieben“, sagt Schmidt ruhig. Danni wirft ihm vor, dass er sich bei einer Blondine mit kurzem Rock keine Philharmonie oder Interesse an klassischer Musik vorstellen könne. Und entdeckt das Preisschild an der Jacke, die Schmidt also erst für das Ereignis gekauft hatte. Der wirft ihr vor, dass auch sie nach dem Klischeebild urteilte: Porsche und teure Anzüge bedeuten Philharmonie am Abend. Sie gehen dann ins Kino und essen anschließend einen Döner.

Zu den Vorzügen von „Danni Lowinski“ gehört neben dem exzellenten Drehbuch von Marc Terjung die Situierung in einer Kölner Hochhaus-Siedlung. Dannis Wohnung, das Treppenhaus, die Parkanlagen sehen so trostlos aus, wie wir es aus der Wirklichkeit kennen – und der Aufzug ist stets außer Betrieb. Axel Siefer als unwirscher, nörgelnder und undankbarer Vater Kurt ist ein Glücksfall. Mit strähnigen Haaren, unrasiert und übermüdet macht er keinen Hehl aus seiner schlechten Laune und dem Elend seiner gegenwärtigen Lage.

Danni Lowinskis Freunde aus dem Einkaufszentrum, in dem ihr Klapptisch steht, sind der übliche Klüngel aus lebenskluger, begeisterungsfähiger Coffee-Shop-Tresenkraft, sympathischem Schlüsseldienst-Schluffi und rührendem, dicklichem Heilkunde-Faktotum. Sie alle halten Anteile an Dannis Geschäft, also an nichts, und helfen sporadisch bei den läppischen Fällen, die Allerwelts-Ärger symbolisieren. Ähnlich wie früher bei „Liebling Kreuzberg“ gewinnt man immer den tröstlichen Eindruck, dass hier endlich einmal kleine Leute eine Chance vor Gericht bekommen – und eben auch eine Repräsentantin, die dann doch manche Paragrafen wenigstens so ungefähr auswendig kennt. Wenn auch ihre improvisierte Bibel-Exegese etwas bizarr ist: Danni Lowinski löst alle Probleme immanent.

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