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„Arular“ von M.I.A.: Dancefloor-Minimalismus als dampfender Dschungel

„Arular“ verströmt die Gerüche der Straßen von Colombo, atmet den Schweiß der Tänzer eines East-Londoner Undergroundclubs und verbindet das mitreißend Direkte einer echten Subkultur mit der Genre definierende Größe eines Meisterwerks. Die Original-Kritik aus dem ROLLING STONE von 2005.

Es fällt schwer, bei „Arular“ ruhig und sachlich zu bleiben. So zu tun, als sei dies nur irgendeine von den vielen CDs, die jeden Monat neu in die Läden kommen.

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Die 27jährige Londonerin Maya Arulpraggasam alias M.I.A. hat auf ihrem Debüt die unterschiedlichen kulturellen Einflüsse ihres Umfelds zu Songs verdichtet, die aggressiv sind und zugleich glücklichmachend. So entstand die lebendigste, vitalste und mitreißendste Musik, die es derzeit in Clubs zu hören gibt.

M.I.A. gerät auf fast jedem Song wie in Trance

Stilistische Referenzen wie Ragga, HipHop, indische Trommeltänze und Laut-leise-Bands a la Pixies wurden gründlich entkodiert und völlig neu zusammengesetzt. Dancefloor-Minimalismus nicht als frostige Winterlandschaft, sondern als tropisch dampfender Dschungel. Hinter jedem vertrackt trommelnden Beat lugt ein winziger Sound-Gimmick hervor. Manchmal fiept, quietscht und bitzelt es wie in einem dieser Trashfilm-Raumschiffe aus den Fifties. M.I.A. rappt, schnaubt und stöhnt dazu. Verfällt immer wieder in einen Trance-ähnlichen Singsang, der vielleicht noch aus Sri Lanka herrührt, wo ihr Vater ein tamilischer Rebellenführer war, den die Menschen „Arular“ nannten.

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M.I.A. sieht sich mit ihrer Musik ebenfalls als Kämpferin gegen einen globalisierten Kapitalismus und dessen amerikanische Sturmtruppen. Selten wurde Systemkritik so sinnlich und mit so viel Leidenschaft formuliert wie auf M.I.A.s erster Single „Galang“. Der Refrain zeigt dennoch pure Lebensfreude, wo andere jammern, klagen, transuseln. Warum läuft diese Musik eigentlich nicht auf jeder Anti-Globalisierungs-Demo – oder tut sie das schon längst? Unverzichtbare Platte jedenfalls, nicht nur für Fans von Missy Elliot, Timbaland und Dizzee Rascal.

Ein Artikel aus dem RS-Archiv