Auf dem Pfade der finalen Erleuchtung

Für sein jüngstes Filmprojekt ging Uwe Ochsenknecht probehalber ins Kloster. Robert Görl, Techno-DJ und früherer DAF-Drummer, tut das womöglich für immer

…heißt der Film von Doris Dörrie – und im Drehbuch stand nur vage: Du bist ein Küchenfachverkäufer, der im Job den Mann steht, bei dem aber Nachdenken nie sonderliche Resultate zeitigt. Dann läuft dir die Frau weg und du findest dich mit deinem esoterischen Bruder in einem Kloster in Japan wieder.

Robert Görl hätte sich dort ausgekannt: Er war bereits öfters in asiatischen Klöstern. Ochsenknecht hingegen konnte höchstens darauf verweisen, dass es bei ihm privat gerade kriselte. Um die Authentizität zu gewährleisten, wurde daher zwischen Abt und Regisseurin vereinbart: Solange die klösterliche Besinnung nicht gestört wird, darf ein kleines Film-Team am Klosterleben teilnehmen. Nach den Dreharbeiten sprachen die beiden Laien-Mönche über ihre Erfahrungen.

ROBERT: Gefallt mir sehr gut, der Film. UWE: Ich würd auch gern mal was Neues von dir hören. Seit DAF hab ich nichts mehr mitgekriegt.

ROBERT: Ich hab dir meine neue CD mitgebracht: „Final Metal Pralinees“. Anders gesagt: Danach ist Schluss.

Uwe: Und du kannst einfach so aufhören mit der Musik?

ROBERT: Klingt vielleicht krass, denn ich mache das ja seit 20 Jahren. Und ich habe lange darüber nachgedacht – und hatte das Gefühl: Ich muss jetzt Konsequenzen ziehen.

UWE: Du gehst jetzt wirklich ins Kloster? Nach Japan auch?

ROBERT: Erst mal nach Thailand. Ich weiß noch nicht, ob ich da bleibe.

UWE: Warst du schon mal länger drin? ROBERT: Nicht richtig lange. Ich fahre seit zehn Jahren nach Asien, aber ich bin immer noch auf der Suche. Das sind immer nur zwei Wochen pro Kloster. Wie in deinem Film.

UWE: Ich interessiere mich schon lange für den Buddhismus. Seit ich mit 14 aus der Kirche ausgetreten bin, weil ich gleich Kirchensteuer zahlen sollte, nur weil ich im Kinderchor was verdient hatte – seitdem fühle ich mich sozusagen freireligös. Am Buddhismus gefallt mir eben, dass das nicht so doktrinär ist, eher eine Weltanschauung. Und wenn man pro Tag nur eine halbe Stunde dasitzt und reflektiert, was man eigentlich tut ROBERT: Bis zu einem gewissen Grad geht das durchaus. Aber es gibt Grenzen. Für die weltliche Welt wurde ich immer mehr zum Außenseiter. Und damit meine ich nicht nur so Sachen, dass ich nicht mehr zum Essen eingeladen wurde, weil ich ja den Schweinebraten nicht mitesse. Diese Welt stellt nun mal ihre Bedingungen: Geld verdienen, Miete zahlen, Kontakte pflegen. Und wenn ich aus einer Zeit der Meditation zurückkam und mich dann in diese materielle Welt reinstürzen musste – das funktionierte einfach nicht Ich brauche zwar eh kaum noch was, ich hab derzeit nicht mal ’ne Wohnung. Ich kann mich als Musiker und DJ ernähren und muss nicht auf Sozialkohle warten. Ich kann mir immer noch Schuhe kaufen. Aber damit hat es sich auch.

UWE: Krasser Gegensatz zu früher. ROBERT: Klar. DAF waren Sex, Drugs & Rock’n’Roll – bis zum Abwinken. Materielle Dinge. Sportauto. Schöne Wohnung. In Hotels gelebt. An einem Tag nach London geflogen und am nächsten nach New York. Triebmäßig alles gut ausgefahren. Alles gut bedient Ein Highlight der Sinne. Und es ist auch gut, dass ich das mal ausgereizt habe. Ich denke also nicht, ich hätte was verpasst Aber dann ist das komplett gekippt UWE: Dann hattest du’s halt gehabt ROBERT: So ungefähr. Ich hatte 1989 einen Autounfall. Dieses exzessive Leben ging genau bis zu dem Baum, an dem ich landete. Ich wachte auf, und der Baum war direkt vor mir. Dort, wo sonst der Motor ist Alles zerfetzt Dann hab ich gemerkt, dass mein rechter Arm unten am Beifahrerbereich lag. Ich musste den erst mal herholen. Der hing nur noch an der Haut Ein wahnsinniger Horror. Ich habe mich dann rausfallen lassen und bin auf der vereisten Landstraße weggerobbt. Mitten in der bayrischen Pampa. Ich saß da ganz allein im Eis. Und in dem Moment bin ich wie mit einem Knall wachgeworden. Ich konnte meine ganze Situation überblicken. Da passierten abgefahrene Sachen. Rein optische Sachen. So einen Himmel hatte ich noch nie gesehen. Diese Farben, diese Weite. Und dann habe ich richtig gespürt, wie sich mein Kopf aufspaltet Und dann flog da ein Vogel raus. Der ist dann vor mir rumgeflogen. Alles ganz freundlich, ganz warm. Und dann liefen Bauern übers Feld. UWE: Und dann? Robert: Es stand auf der Kippe, ob sie den Arm amputieren. Sie haben ’ne zehnstündige Operation gemacht und fast alle Knochen ausgewechselt. Gegen Metall und so ein Spezialgerüst aus Nirosta-Leichtmetall. Aber nach der Narkose kam dann das heftigste Erlebnis. Das war ein gurgelnder Urschrei, wie durch eine Röhre: Buddha! Ich erschrak und dachte: Wieso schrei ich denn hier Buddha nun?

UWE: Wusstest du, wer oder was Buddha ist? ROBERT: Gerade mal, dass in Asien buddhistische Mönche rumlaufen. Dachtest du vielleicht da ja auch DAF wie Skinheads rumliefen -, dass Buddhisten chic aussehen?

ROBERT: Diese Einfachheit des Buddhisten-Images ähnelt durchaus dem eines Skins: Ein Mönch schert sich das Haar, weil er mit Eitelkeit nichts mehr am Laufen hat Bei uns war es eher ein Körperkult: Harte Jungs. Die Jungs mit den geschorenen Köpfen tauchten bei unseren Gigs auf; die standen auf wahnsinnige Power. Und diese Power hat mich daran auch so fasziniert. Aber dass ich Buddhist

geworden bin, das lag an diesem Hammer, mit dem ich aus der Narkose aufgewacht bin. Das Wort „Buddha“ heißt ja sogar „aufgewacht“.

UWE: Denkst du, dass man so einen Hammer braucht um aufzuwachen? Und je extremer man gelebt hat, desto größer muss der Hammer sein?

ROBERT: Ich kenn Leute, da reicht nicht mal ein Hammer: „Ich hab ’ne schöne Frau, ’nen tollen Job – was soll ich denn da loslassen?“ Aber jeder hat halt ’ne andere Entwicklung – und daher auch sein eigenes LeveL UWE: Seinen eigenen Film, haha! Aber ich glaube, die meisten denken nach so einem Unfall nur kurz: Hm! Und dann leben sie ihr altes Leben weiter.

ROBERT. Und ich bin von Sex, Drugs & Rock’n’Roll zu Buddha, Dharma & Sanghra. Dharma – die Lehre. Und Sangh – die Mönchsgemeinde. Das nennt man „Die 3Juwelen“. Bin eben zu neuen Juwelen geswitcht.

Wie läuft deine eigene Rock’n ‚Roll-Karriere, Uwe?

ROBERT: Was? Du machst auch Musik?

UWE: Naja, ich hab das einfach mal machen wollen. Hab auch ein paar Platten verkauft. Aber ich habe da noch nicht mein Ding gefunden. Da fühle ich mich noch total am Anfang.

ROBERT Meine letzten Techno-Platten haben mir aber auch nicht mehr viel gebracht. Ich lebte nur noch in Wiederholungen. Und gerade deshalb wollt ich’s diesmal noch mal wissen – ich hab echt Monate in meiner Studiobox gehockt und nur noch an den Maschinen gedreht. Ich hab die Platte hier in München im „Ultraschall“ aufgelegt. Die dachten: Hat sich da die Wand bewegt?

Wie fühlst du dich, wenn du auf der Mayday für halb so alte Leute auflegst?

ROBERT: Klar, ich könnt deren Vater sein. Aber da siehst du nur diese Menschenmenge – und da ist einfach nur eine einzige Schwingung da. Da zählt kein Alter. Aber es kam mir halt immer mehr so vor, als hätte ich das echt oft genug gehabt Irgendwann hatte ich aus diesen ganzen Erfahrungen auch tatsächlich gelernt.

UWE: Das ist bei mir ähnlich. Ich finde es zwar nicht unangenehm, wenn da extra jemand über die Straße gerannt kommt, aber oft bewege ich mich nur noch in einem Sumpf von Leuten, die mich nur loben.

ROBERT: Mir ging’s damals echt auf die Nerven. Das ging so weit, dass ich immer ins letzte Tantencaß gegangen bin. Und sogar da hat die Tante am Nebentisch gesagt: „Ich kenn Sie doch vom Fernsehen!“.

Warum hast du diesen Glamour dann überhaupt gesucht?

ROBERT: Selbstbewußtseinsdefizite.

UWE: Das war bei mir auch nicht sehr ausgebildet. Ich wollte immer aus der Masse hervorstechen. Das war meine Triebfeder, um diese ganze Reise überhaupt anzutreten. Ich bin aber immerhin in den richtigen Zug gestiegen.

Und hast du da eher den Weg oder das Zielgesehen?

UWE: Das Ziel war, berühmt werden zu wollen. Später kam halt auch noch das Ziel dazu, mit Qualität berühmt werden zu wollen. Und da dachte ich zuerst: „Scheisse, damit stelle ich mir doch nur selber ein Bein!“ Aber inzwischen wird mir das einfach zu blöd, mir hinterher immer wieder sagen zu müssen: „Naja, der Film ist wieder mal nicht das Gelbe.“ Ergo werde ich mich jetzt selber um Projekte kümmern und versuchen, dass da öfter solche Sachen rauskommen wie jetzt „Erleuchtung garantiert“.

UWE: Das ist ja ein Prozess. Wenn man wach beobachtet, was einem so im Leben passiert, findet man immer mehr Puzzle-Teile. Man versteht mehr Zusammenhänge und kann reflektieren: „Ich habe doch viel mehr Möglichkeiten. Abo, warum mache ich das nicht einfach?“ Und deswegen hat mir dieser Film perfekt in den Kram gepasst Nicht nur, weil er zu einer Zeit kam, als ich privat in einer ähnlichen Situation steckte.

ROBERT: Du hast dich also praktisch selber gespielt?

UWE: Nicht nur. Aber ich habe schon mehr von mir gezeigt als sonst. Vor allem, da es keine fertigen Dialoge gab.

ROBERT: Wie hast du dich eigentlich gefühlt, nach dem Kloster?

UWE: Hab mir echt überlegt, warum ich nicht einfach da bleibe. Im Vergleich zum tagtäglichen Getümmel herrscht dort ja absolute Ruhe. Das sieht man auch im Film, wie entspannt wir waren. ROBERT: Hattet ihr Mönche als Übersetzer?

UWE: Klar, sonst macht das ja keinen Sinn. Es gibt ja immer Fragen: Darf ich an was denken? An was darf ich denken? Also hatten wir einen Mönch dabei, der sich um uns kümmerte, wenn wir nicht weiter wussten. Auch wenn wir mit dem Abt geredet haben. Da konnte jeder alles fragen. Zum Leben. Zur Religion.

Warum bist du erst jetzt an diesem Punkt angelangt?

Wie in der Schule?

UWE: Nee, der Abt ist eine Respektsperson. Da geschieht alles ohne Druck. Ich hatte oft das Gefühl: Die lassen mich zu sehr in Ruhe. Die müssen mich doch jetzt irgendwie unterrichten, dass da was weitergeht ROBERT: Mich reizt es halt, mir das jetzt mal länger zu geben. Mich interessieren Mönche, die sehr weit gehen. In Nordthailand, nahe Laos, gibt’s mitten im Dschungel ein Asketenkloster, in dem ich schon mal war. Hier wird die totale Hinwendung zum Geist geübt.

Wie asketisch geht es da sonst noch zu?

ROBERT: Es gibt nicht viel zu essen. Daher bin ich gerade dabei, mich an deren Diät zu gewöhnen: am Tag nur eine Handvoll Reis mit zwei Blättern. Und dazu gibt’s höchstens Tee.

Uwe: Das war bei uns ähnlich. Da gab’s auch nur Reissuppe. Und dazu ein Fischgewürz zum Drüberstreuen.

ROBERT: Man kommt mit viel weniger aus, als man denkt. Das ist bei uns eher ein gesellschaftliches Ding. Bei mir fragen sich die Leute ja sogar oft: Hat der überhaupt noch Spaß?

Uwe: Ja. „Das ist doch kein Leben!“

ROBERT: Aber so ist es doch!

UWE: Also, wann fliegst du los?

ROBERT: Am Dienstag.

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