Auf den Spuren Bukowskis schreibt FRANK BRÖKER dem deutschen Punk hinterher

Vor fast zehn Jahren war es in allen Ecken, man spürte es in Kneipen, hörte davon in Jugendzentrumskellern, sah es in Copy-Shops. Manchmal sogar ließen sich die professionellen Kulturmumifizierer und hemdsärmeligen Bürokraten des Literatur-Betriebs darüber aus. Schwarz auf elfenbeintürmchenweiß stand im muffelnden Feuilleton: „Harte Autoren mit hohem Anspruch“ melden sich. Lautstark. Frisch und frech wie die NDW reimten, lasen und schrien die neuen Literaten des „Downtown Deutschland“ (Isabel-Rox-Verlag, Essen) in einer Sprache, die jeder versteht, mit Tönen des Punkrock, einem Rhythmus, bei dem man mit muss.

Social Beat sorgte für frischen Wind, neues Selbstbewusstsein. So wie die NDW war er stilistisch nicht auf einen Nenner zu bringen, das Label bald ausgelutscht. Viele Agitatoren begaben sich zurück in ihre Alltagsjobs als Lkw-Fahrer, Schiflschaukelbremser oder Drucker, engagierten sich bei Poetry-Slams oder in der Bukowski-Gesellschaft. Sie waren und bleiben weit ab von dem Gemache der etablierten Größen und Konzerne, deren Ausstoß man von Tischen in (und Wühlkisten vor) Buchhandlungen kennt. Die Auflagen sind immer noch näher am zwei- als vierstelligen Bereich, gedruckt wird im Copyshop, auf dem Fußboden sortiert und zusammengeheftet der Punk lebt weiter. Statt harmonisch-korrektem Middle-ofthe-road-Getue alles sehr off, wie einer der nicht-kleinzukriegenden Szenestars – Sir Jan Off („Neues aus der Braunschweiger Sonderschule“).

Einer, der immer mehr Punk als NDW war, der in seinem Hauptberuf als Sozialarbeiter („Da stranden ja viele. In der Laberei.“) mit Süchtigen und Strichern zu tun hat, ist der Sache treu ergeben wie am ersten Tag: Frank Broker, nebenher Gitarrist bei Fette Helden, Fanzine-Herausgeber, überführter Täter am „Schreibtisch Größenwahn“, Kolumnist, Happening- und Festival-Organisator. Zu dem Roman „Schwer verletzt“ (mit „Paralyse City“ bei Minotaurus, Vevais) tourte er diesen Sommer mit Nice Noise durch die Republik. Sein Uptempo-Cow-Punk ist ganz der Tradition und dem Knackpunkt – des Social Beat verhaftet: Er unterhält, schnell und gut, aber eher in einer Meute Leute als allein zu Hause. Auch andere seiner Fiktionen sind radikal subjektiv, ohne Distanz und – wie sein Leben – voller Kaputtniks. Das kann langweilen, ist gleichzeitig natürlich irrer Stoff, direkt aus den Adern eines Rohypnol-kennenden, bekennenden Hyperaktiven, der nach Nelson Algrens und Bukowskis Maxime handelt – dass ein Schreiber nämlich erstens das Leben kennen sollte, bevor er sich darüber auslässt, und zweitens trainieren und immer am Ball bleiben muss wie ein Boxer. Irgendwann werden die Druckerpatronen schon einen Treffer landen.

So richtig in die Vollen geht Broker nun mit einem 7,50-Euro-Bändchen, in dem er Singles und Jingles seines Schaffens, „Klappentexte“, aus seiner Jukebox BRD“ (Verlagjens Neuling) rollen lässt. Vieles mit wenig literarischer Tiefe, dafür stellenweise mit Augen- und Einblicken voller Klappmesserschärfe, abgrundtiefen An- und Einsichten. Während Pop-Literaten ihre CD-Sammlungen durchkonjugieren, suchte er in Plena und besetzten Häusern nach dem Leben, wundert er sich heute über „rammsteiniges, böhsonkliges oder tothosiges Lied zwischen den Lippen und Marlboro-Kippen (…) Wes‘ Lied ich pfeif, des Geistes Kind ich bin“. Zwischen nicht wirklich fettig produzierten Nummern kommen aus seinem „verplombten, zerbombten Trottkopf“ Zeilen, die es in sich haben. – „Wir sind die Jukebox BRD, die Hitparade der Deutschen, aller Volksempfänger Dröhnung, immer auf der Welle, stets auf Empfang. Wir kommen, wann immer man uns drückt. Wir sind die Pickel am Arsch der Vorkriegszeit. Die Gnade der frühen Geburt, die bis in die Steppen des späten Orients hineinblüht. Wir sind Klatschmohnweiber und Steckrübenkerle, immer auf der Suche nach einem lauten, donnernden Sinn, einem materiellen Gott“ – Wetten, Broker hat außer Slime auch Abwärts‘ „Amok/Koma“ in sich aufgesaugt?

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