Aus dem Off (1)

Corona-Tagebuchnotizen von Arne Willander: FEAR OF MUSIC

Tagebuchnotizen von Arne Willander

Überhaupt haben die Talking Heads mit ihrer Musik des Dezisionismus, der Isolation und der Paranoia jede Krise, jeden Ausnahmezustand illustriert. Auf einer einzigen Platte, „Fear Of Music“, sind folgende Lieder: „Cities“. „Air“. „Mind“. „Life During Wartime“. Und „Heaven“: „Heaven is a place where nothing ever happens.“ Allerdings ist „Heaven“ der Name einer Bar, zu der jeder gelangen will. Nun, eine Metapher.

Sind wir zufrieden mit der Regierung?, fragt das Frühstücksfernsehen. Wir sind zufrieden mit Angela Merkel. Wir brauchen sie noch. Sie war so ruhig auf dem Fernsehschirm.

Die Virologin Melanie Brinkmann sagt bei Markus Lanz: „Es gibt drei Wege, und alle sind schlechte Wege.“

Nachts liege ich wach und höre „Ruminations“, eine Platte von Conor Oberst aus dem Jahr 2016. Er spielt Gitarre, Klavier und Mundharmonika und singt mit seiner klaren Knabenstimme. Er singt „Counting Sheep“. Er singt davon, dass er Christopher Hitchens und Oliver Sacks, Robin Williams und Sylvia Plath vermisst. Er singt von dem schönen Kaufmannssohn Ronald Reagan und von Jane Fonda auf einem Panzer in Vietnam. Er singt davon, dass er Patti Smith und Lou Reed traf und dass er sich danach nicht anders fühlte. Er geht schnell durch die Bowery, er hat Tränen in den Augen und kann nicht mehr sehen, aber er schafft er bis nach Hause.

Dieser Conor Oberst. Die Stimme in der Nacht. Nächstes Mal werde ich „Salutations“ hören, die Platte davor. Ich denke darüber nach, weshalb die Plattenhülle ein anderes, kleineres Format hat. Ich denke an Christa Wolfs Satz: „Ein Riss geht durch das Gewebe der Zeit.“

Dann wird es Morgen. Ich gehe zum Supermarkt und kaufe Eiersalat und Dunkelschokolade. Der Laden ist fast leer. Die Kassiererin trägt Gummihandschuhe und sagt: „Mann, ich schwitze.“ Sie wischt sich mit Küchenpapier die Stirn ab. Ein muffig riechender Mann kauft vier Flaschen Bier.

David Byrne singt, nicht auf „Fear Of Music“, sondern auf „77“: „Don’t worry about the government.“

Arne Willander

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