Aus der Reihe „50 vergessene & verkannte Meisterwerke“: Michael Hurleys „Long Journey“ von 1976

Vom Radar vieler Plattenkritiker, Käufer und Bestenlistenschreiber sind sie längst verschwunden. Trotzdem sind diese LPs Gold wert. Sagt unser Autor Wolfgang Doebeling und stellt einige vor.

In der aktuellen Ausgabe unseres Magazins hat unser Autor Wolfgang Doebeling 50 Alben zusammengestellt, die zu Unrecht vergessen und verkannt sind. Wir werden in den nächsten Tagen das ein oder andere Kleinod aus seiner „prall gefüllten Schatztruhe“ hervorzaubern.

Michael Hurleys „Long Journey“ (1976 via Rounder erschienen):

Es gibt zahllose Künstler, die Respekt verdienen, Zuneigung nicht. Bei Michael Hurley ist es umgekehrt. Man muss ihn nicht schätzen, muss seinen kauzigen Kurzgeschichten und Songfiguren nicht viel abgewinnen, man muss den Kerl einfach nur lieben. Unangepasster hat sich niemand jahrzehntelang den Zwängen des Musikbetriebs widersetzt, aufrechter ging keiner an den Verlockungen vorbei, die auf den warten, der weiß, wie man einen Kotau macht. Gewiss, Hurley hatte hin und wieder Pech, entging auch deshalb mancher Förderung, doch nachgerannt ist er noch keiner.

„Long Journey“ ist repräsentativ für seine vielen hörenswerten LPs. „I’m what they call a CC, a colorful character“, stellt sich Hurley spitzbübisch in „You Got To Find Me“ vor und offeriert gleich eine Litanei von Wohltaten, „I’ll heal any known disease“ mit „I’ll give you more religion than a dog has fleas“ reimend. Ein derangierter Groucho Marx mit Gitarre. Er kann freilich mehr als bittere Humoresken und selbstironische Burlesken, trauert in „The Vt. Ore. Floor“, versöhnt sich mit dem Schicksal in „Reconciled With The Blues“. Die Musik: so schräg und doch subtil, spinnert und doch subversiv! Von Dur nach Moll und zurück in Sekunden, Fiddle und Banjo im Zwist, ein Zungenschlag, der das Klicken von Billardkugeln insinuiert. Mit Letzterem beginnt „The 8-Ball Café“, eine hypnotisierende Verquickung von Tune und Takt. Obacht, wer sich einmal auf den Exzentriker eingelassen hat, kommt schwerlich wieder los.

Wolfgang Doebeling

Die vollständige Liste gibt es in der Mai-Ausgabe des Rolling Stone. Wolfgang Doebeling öffnet besagte Schatztruhe übrigens auch jeden Sonntag ab 23 Uhr auf Radio Eins in seiner Sendung „Roots“. Alle Infos zur Sendung gibt’s hier bei uns im Forum oder auf der Website von Radio Eins.

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