Austrian Psycho

Außerdem spielt Franzobel im österreichischen Nationalteam der kickenden Schriftsteller und nahm an der ORF-Fußballshow „Das Match“ teil. Dort hat ihn sein Jugendidol Hans Krankl allerdings bereits in der ersten Runde aus dem Kader gestrichen.

Wie sind Sie zum Fußball gekommen?

Ich bin mit sieben auf den Fußball gestoßen. Da gab’s eine kurze Fußball-Sendung nach den Nachrichten, und ich habe mich damals aus irgendeinem Grund immer für Mannschaften begeistert, die so an zweiter, dritter Stelle waren. Da habe ich, vielleicht weil mir der Name gefallen hat, Rapid Wien gewählt. Und das ist dann bis heute mein Favorit geblieben. Ich bin damals schnell drauf gekommen, dass da der Krankl spielt, der wenig später ein Nationalheld war, die Mannschaft war auch ganz gut und Rekordmeister und Arbeiterclub. Also, das hat dann schon ganz gut gepasst.

Hat Sie diese Fußballsendung geprägt?

Insofern als es ein bisschen was Subversives gehabt hat. Fußball war gesellschaftlich -weniger akzeptiert als heute. Die Welt war nicht so verfußballisiert.

Sie haben mal geschrieben, das Wesen des Fuß- balls sei das Schimpfen und Fluchen…

Fußball ist vielleicht ein Bereich, in dem die Leute sehr direkten Zugang zu ihren Emotionen haben. Die Österreicher tun sich natürlich eh nicht schwer Wie sind die Dialoge geschrieben? Wie kommuni zieren die Leute? Wie wird das enden?

Theaterleute sind auch oft große Fußball-Fans. Vielleicht weil das Spiel in einer Art Amphitheater stattfindet – nur mit dem Unterschied, dass man nicht weiß, wie es ausgeht.

Die Faszination am Theater ist schon auch die, dass man nicht ganz weiß, was alles passieren kann, und man im Publikum das Gefühl hat, da kann was stattfinden – man kann Zeuge . von Fehlern werden oder wie einer wahnsinnig gut sein kann, wenn er einen tollen Tag erwischt. Im Fußball geht’s um ähnliche poetische Momente. Das Spiel an sich ist ja eigentlich sehr langweilig, und je besser die Mannschaften werden, desto langweiliger wird’s meistens. Bei einem Champions-League-Halbfinalspiel weiß ja jeder Spieler genau, was er tut, sodass eigentlich kaum ein magischer Moment stattfinden kann. Nur wenn so ein Grad der körperlichen Erschöpfung eintritt, kann etwas Poetisches passieren.

Oder in den Interviews danach.

Früher hat’s wunderbare Interviews gegeben. Das ist leider ein bisschen gestorben, weil die Leute alle Sprachkurse machen, damit sie sich ein bisschen gewählter ausdrücken – was sich allerdings immer noch anhört wie Urwaldsprache. Gezwungenes Hochdeutsch. Früher waren Interviews wirklich Einblicke in diverse Soziolekte.

Hat sich mit der Zähmung der Sprache auch der Fußball verändert? Alles scheint ja immer braver zu werden, das Subversive und Körperliche ist fast verschwunden.

Ja, leider. Die proletarische Urform, die vielleicht früher mal da war, oder dass das Tier im Menschen zum Vorschein kommen darf, ist alles sehr gezähmt. Es geht ja auch um sehr viel Geld heute. Ich meine, dass Fouls hart bestraft werden müssen, ist schon klar, aber dass man das Trikot nicht mehr ausziehen darf beim Jubeln, ist Blödsinn. Oder dass ein Spieler den Schiedsrichter nicht mehr beschimpfen darf…

Was dem Fußball verloren geht, ist der Rausch, das Dionysische, das Ihnen ja in ihren Romanen auch sehr liegt.

Ja, ich mag das absolut. So ein bisschen das Ausschalten der Logik. Wenn so ein dionysischer Fluss zustande kommt. Der Rausch ist für mich schon ein wichtiger Zustand. Jetzt nicht unbedingt Alkohol obwohl, kann auch ein drogenbeeinflusster Rausch sein. Aber ich meine so etwas wie einen poetischen Rausch oder einen Alltagsrausch, einen Bilderrausch.

Was verbindet die beiden EM-Gastgeberländer Österreich und die Schweiz?

Naja, gewisse Vorbehalte gegenüber Deutschland vielleicht (lacht).

So ein hassenswerter Gegner ist schon wichtig beim Fußball, oder?

Ja, irgendwie schon. Ich bin mit einem im Nachhinein betrachtet ganz widerlichen Deutschland-Hass aufgewachsen. Der ist über die Medien transportiert worden. Jahrelang hat man sich immer gefreut, wenn Deutschland ausgeschieden ist. Das war das Wichtigste vom Turnier. Und das hat sich jetzt bei der letzten WM für mich und für viele andere schon sehr gewandelt. Da hat man wirklich ein anderes Deutschlandbild entwickelt.

Ich habe damals gedacht, die Österreicher hätten sich absichtlich nicht für die WM qualifiziert, weil das Motto hieß „Die Welt zu Gast bei Freunden“.

(Lacht) Das wäre sehr perfide gewesen.

Nach allem, was Sie so über Österreich schreiben, könnte man denen das doch zutrauen. Dieses Hinterlistige, Anti-Aufklärerische, was Sie da beobachten…

Man glaubt halt der Vernunft nicht in Österreich. Im Gegensatz zu Deutschland, wo man wirklich an das gesprochene Wort glaubt, wird es in Osterreich nicht ganz ernst genommen. Hat vielleicht auch was mit dem Katholizismus zu tun, dass man eh beichten kann und es möglicherweise so eine andere Welt gibt neben der Vernunft. Eine opulente Welt der Sünde und des Paradieses, in der man sich austoben kann.

Über was wir noch gar nicht gesprochen haben, ist der Ball.

Das Runde muss ins Eckige.

Mehr gibt’s dazu nicht zu sagen?

Mir gefällt ganz gut, dass der Ball keine Seele mehr hat. Früher hat ja der Ball in diesem Ledermantel immer noch diese so genannte Seele gehabt. Und in den neuen Bällen gibt’s so was nicht mehr. Seit vier Jahren ist die Seele abgeschafft. Das ist vielleicht ein bisschen bezeichnend für den Fußball.

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