Ben Folds: Das Ende des Müßigganges

Nach seiner Scheidung brauchte Ben Folds auch einen musikalischen Neubeginn- und heuerte den berüchtigten Dennis Herring als Produzenten für sein neues Album an.

Als Ben Folds 2005 sein letztes Album veröffentlichte, war er angekommen. Die Karriere lief gut, die ersten Arbeiten als Produzent waren erfolgreich verlaufen. Folds war zufrieden mit seiner Musik, die ihm ein kreatives Leben und seiner Familie relativen Luxus ermöglichte.

Doch der Moment des Ankommens war gleichzeitig der Moment der Veränderung. Privat, weil das Ehepaar Folds bald nach der Veröffentlichung von „Songs For Silverman“ einen schmerzhaften Scheidungsprozess durchlebte. Und kreativ, weil Folds seinem Status quo zu misstrauen und nach einem Ausweg aus der ‚comfort zone‘ zu suchen begann.

„Es lief immer gleich ab: Wir gehen ins Studio, spielen ein paar Stunden, dann geht’s in den nächsten Coffee Shop oder stundenlang einkaufen“, erzählt Folds. „Musiker lieben es deshalb offenbar, für mich zu arbeiten – ich bin extrem entspannt und mache niemandem die Hölle heiß.“

Keine gute Voraussetzung für kreative Höchstleistungen, fand Folds und heuerte für sein neues Album, „Way To Normal“, einen Produzenten an. Nicht irgendeinen, sondern Dennis Herring (Elvis Costello, The Hives, Modest Mouse), einen berüchtigten Haarspalter und Studiotyrann, bei dem die Kunst viel Arbeit macht.

„Jared (Reynolds, Folds‘ Bassist) hatte richtig Schiss, nachdem er Dennis gegoogelt hatte“, lacht Folds, „wenn du ,Dennis Herring is an asshole‘ eingibst, kriegst du erschreckend viele Treffer. Aber ich brauchte so einen Typen – einen, der meinen Energie-Level oben hält und mich in den Arsch tritt.“ Außerdem ließ Herring sich darauf ein, „Way To Normal“ in Folds‘ Heimstudio in Nashville zu produzieren; Folds wollte nach Vollzug der Scheidung bei seinen Kindern sein.

„Am Anfang war alles ganz leicht“, erklärt Folds, „ich hatte zwar oft eine andere Meinung als Dennis, aber ich hatte mich entschlossen, ihm zu vertrauen. Und er war klug genug, die ‚basic tracks‘ aufzunehmen, so lange es Spaß gemacht hat. Die Arbeit begann danach.“ Dass diese Arbeit nicht immer angenehm war, ist Folds anzumerken. Herring wollte dieses und jenes, ließ die Band stundenlang Overdubs wiederholen, ohne zu sagen, was er eigentlich suchte.

Folds – sonst eher ein First-take-Typ – scheint im Nachhinein nicht ganz davon überzeugt, ob all die Detailarbeit wirklich nötig war. Und vermutlich wäre „Way To Normal“ auch dann eine fabelhafte Platte geworden, wenn Folds selbst die Regler geschoben hätte. Dank Herring hört man die mal großartig überdrehten, mal ergreifend tiefschürfenden und mal derb lustigen Lieder im größeren Gewand, mit mehr Overdubs und produktionstechnischer Finesse.

Einmal, bei „You Don’t Know Me“ schickt der Produzent seinen Schützling sogar in die moderne R&B-Welt. „Das Lied war am Anfang ganz anders“, zuckt Folds mit den Schultern, „ich hatte so ein Supertramp-Ding im Kopf, aber er wollte dieses hippe Streicher-Thema. Und dann hatte er eine Liste von Powerhouse-R&B-Diven, die mit mir im Duett singen sollten. Glücklicherweise haben sie alle abgesagt.“ Gesungen hat dann schließlich Regina Spector.

Weil Ben Folds und seine Band also eine Weile unter der Knute standen, musste ein Bubenstreich Entlastung bringen. Während eines Aufenthalts in Dublin schrieben, produzierten und mischten er und seine Kumpanen binnen zehn Stunden eine Handvoll Songs und stellten das Ergebnis inkognito ins Internet. Der Rest ist schon jetzt Legende: Blogger und Folds-Anhänger hielten den Nonsens für ein Leak des neuen Albums, zumal die Titel identisch waren.

Folds, der genau dieses Missverständnis provozieren wollte, beobachtete die Online-Diskussionen und amüsierte sich köstlich. „Wir hatten einige der richtigen Songs ja schon live gespielt“, grinst er, „irgendwann fiel den Leuten dann endlich auf, dass es sich da offenbar nicht um dasselbe Material handelte. Es war köstlich.“

Auch gut gefallen hat Folds die Arbeit als Produzent für das Solodebüt von Amanda Palmer, sonst Sängerin der Dresden Dolls. Überraschung: Die Platte ist gar nicht anstrengend. „Sie hatte keine Angst davor, ein eher konventionelles Album zu machen und sich von einer verletzlichen Seite zu zeigen“, bestätigt Folds, „sie kennt sich in dieser Welt ja noch nicht so gut aus, und ich konnte sie gut unterstützen, auf den Punkt zu kommen. Nach dem Motto: Wenn du hier acht Zeilen weglässt, versteht man noch besser, was du sagen willst.“ Manchmal sind Produzenten ganz hilfreiche Leute.

Jörn Schlüter

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