Bislang führte Country hierzulande ein Nischendasein. Nun soll mit neuen Strategien auch Deutschland erobert werden

Rock’n’Roll, Soul, Rap – was aus Amerika kommt, kommt auch bei uns an. Rare Ausnahme: Countrymusik. Doch das soll anders werden – meinen zumindest die deutschen Plattenbosse. Sechs Jahre lang hing der Himmel über Nashville voller Goldener Geigen und Platin-Platten. Sechs Jahre Boom. Mit CMT (Country Music Television) und TNN (The Nashville Network) bringen gleich zwei TV-Sender die fidelen Klänge aus Nashville landesweit in die Pantoffelkinos. – Vollversorgung in Sachen Country ist also garantiert.

Doch ein Boom wird schnell zum Boomerang, wie Bruce Allen, Mitglied der Country Music Association, kurz CMA, und Manager diverser Country-Acts erkannt hat: „Wir überfüttern die Leute. Statt dessen sollten wir uns rar machen und neue Märkte erschließen.“ Einen attraktiven Markt hat er vor allem ausgemacht: Deutschland. Mittlerweile ist man auch in den Schaltzentralen der Music Row – dem Viertel, in dem in Nashville die Countrymusik „gemacht“ witd – aufgewacht Deutschland, immerhin der drittgrößte Tonträgermarkt der Welt, besitzt mit der Kölner PopKomm. gar die weltweit größte Musikmesse und kann zudem auf eine überwältigend treue Kundschaft verweisen. Allen weiß: „‚Wer dort einmal den Durchbruch geschafft hat, bleibt über einen langen Zeitraum immens erfolgreich.“

In Deutschland aber tut man sich schwer mit dem Terminus „Country“. Als die Plattenfirma MCA letztes Jahr mit Emmylou Harris, Marty Stuart, Rodney Crowell sowie Trisha Yearwood ein ebenso hochkarätiges wie genuines Country-Paket schnürte und es auf Europa-Tournee schickte, vermarktete man das Quartett einfach unter dem nebulösen Begriff „New American Music“. Nicht nur Bluegrass-Veteran Crowell war davon irritiert („Das erinnert mich eher an Grunge oder Rap“), auch das Publikum blieb fern. Für Ed Benson, Präsident der 1958 gegründeten CMA, war der Schachzug dennoch verständlich: „In Deutschland verbinden die Leute mit dem Begriff ‚Country‘ immer noch Trucker-Festivals oder Cowboys. Aber wie sollten sie es auch besser wissen? Schließlich haben die Leute wenig Möglichkeiten, sich durch die Medien darüber zu informieren, was tatsächlich heute unter Countrymusik zu verstehen ist.“

Doch Besserung ist in Sicht Unter dem aufklärerischen Titel „That’s Country My Friend!“ präsentierte die BMG Ariola zusammen mit dem neu gegründeten Label „Marlboro Country“ unlängst einen Sampler mit 19 Songs. Alan Jackson, Dwight Yoakam, Travis Tritt, Brooks & Dunn, Lyle Lovett – alles Acts, die in Nashville Rang und Namen haben. Dazu ein BookJet, so hip, als sei’s für VIVA konzipiert worden.

Thomas Stein, Ariola-Geschäftsführer und seit Jahren unbeirrbarer Country-Fan, über diese Strategie: „Mit der Aufmachung wollen wir ein junges Publikum erreichen, und mit den Songs wollen wir klarmachen, daß die heutige Countrymusik nichts mehr mit den Hillbilly-Klischees von früher zu tun hat Diese Musik ist einfach gute Popmusik – angereichert mit Country-Elementen.“

Der Sampler soll indes nur der erste Schritt in Richtung breitere Country-Akzeptanz sein. Noch mehr verspricht sich Stein von der am 16.11. im ZDF ausgestrahlten Country-Show. Zur Prime-Time (20.15) wird anderthalb Stunden lang die Garde der neuen Helden aus Nashville live auf der Bühne stehen. Er hofft: „Da wird der Knoten platzen.“

Weniger offensiv geht sein Kollege Gerd Gebhardt mit dem Begriff Country um. Die Philosophie des WEA-Geschäftsführers lautet: „Man muß diese Acts nicht unter dem Rubrum Country verkaufen. Das tut ja auch bei Michael Jackson keiner. Da sagt niemand: ‚Das ist schwarze Musik.‘ Wir möchten die Musik verkaufen, den Star, die Band. Wenn das funktioniert ist es völlig egal, aus welchem Genre der Art kommt“

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates