Bisschen Königin

Von Partner und Band getrennt, hat sich Norah Jones mit anderen Musikern vollkommen neu orientiert.

Norah Jones hat ein Album gemacht, das ganz anders ist als die vorigen. Ist das so überraschend? Sicher hätte es hier noch eine Runde lang weitergehen können mit dem bekannten Songwriter-Jazz und Country, doch drohte die Wiederholung – schon jetzt kann man ihre Platten kaum auseinanderhalten.

Bereits beim letzten Werk, „Not Too Late“ von 2007, war Jones ein bisschen gelangweilt. Sie begann, selbst zu schreiben, wollte nicht mehr nur Interpretin sein. Und mischte eigene Songs bei, die eher an Tom Waits orientiert waren als an Hank Williams. Freilich kam die Veränderung in homöopathischen Dosen – noch klang Jones wie Jones.

Für „The Fall“ nun der Umsturz. Bereits Anfang 2008 hörte man, dass Jones sich von ihrem Lover, Bassisten und Co-Produzenten Lee Alexander getrennt habe. Mit ihm wurde gleich die ganze Band geschasst. „Ich hatte zu diesem Zeitpunkt meine Songs schon zusammen‘, erzählt Jones, „wir hatten in meinem Studio Demos aufgenommen, aber das meiste klang doch sehr, wie es immer geklungen hatte. Da wurde mir klar, dass ich mit diesem Kreis von Musikern keinen neuen Sound hinbekommen würde.“ Man zuckt innerlich etwas zusammen, wenn Jones das sagt. Schließlich war Norah Jones bislang eine Band und der riesige Erfolg nicht zuletzt ein gemeinsamer. Auf diesen Umstand angesprochen, reagiert Jones etwas angespannt und ahnt den Vorwurf. Ja, die Band habe etwas Fabelhaftes gehabt, sagt sie, möchte aber zum Ausdruck bringen, dass sie einen entscheidenden Anteil an deren Sound gehabt habe. „Es kann sehr schwierig sein, mit mir Musik zu machen“, sagt sie, „wenn du zu viel oder falsch spielst, überdeckst du das, was mich ausmacht.“

Dass Jones dringend einen Tapetenwechsel gebraucht hat, kann man sich allerdings gut vorstellen. Als sie 1999 nach New York kam, war sie auf der Flucht vor Texas – und traf sehr schnell auf jene Musiker-Clique, aus der sich ihre Band formte. Die Musik, die dann entstand, hatte viel mit diesen Männern zu tun. Hätte Norah Jones ganz andere Musik gemacht, wenn sie auf andere Kollaborateure getroffen wäre? „Das ist sehr gut möglich“, sagt sie unumwunden, „sie hatten einen großen Einfluss. Auch, wenn ich mich jetzt etwas von ihnen entferne, bleibt dieser Einfluss bestehen.“

Nach der Trennung tat Jones sich mit Jacquire King zusammen, der als Toningenieur zum Beispiel Waits‘ „Mule Variations“ zum Klingen gebracht hat, eine von Jones‘ Lieblingsplatten. Anstatt mit nur einer Band zu arbeiteten, formierte sie gleich vier Ensembles aus Studio-Cracks wie Smokey Hormel, Joey Waronker und Marc Ribot. Die Songs stammen fast vollständig aus der Feder der Künstlerin.

Die Ergebnisse sind anders als alles, was Jones bislang gemacht hat. Kräftigeres Schlagzeug, Analog-Synths, 7Os-Pop, Soul-Versatz. Der Umsturz ist nicht so radikal, wie er hätte sein können – noch gibt es Brücken in die Vergangenheit. Doch für Jones ist der Schritt groß, weil sie einen Teil ihrer musikalischen Identität aufgibt. Auf dem Cover thront sie wie eine Königin, an ihrer Seite sitzt ein großer Hund. Das ist ein bisschen ironisch und reflektiert die Texte von „The Fall“. Ein Trennungsalbum? „Der Begriff ist mir zu eng. Andererseits zählen einige Trennungsalben zu meinen Favoriten. Also nenn es, wie du willst.“

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