Black Sabbath statt Bauhaus: Type 0 Negative bedienen die altbewährten Macho-Klieschees

Drei Uhr nachts. Die zwei Bäckerdutzend europäischer Journalisten, die nach LA. gewuchtet worden waren, liegen – vom Jetlag als auch dem zu Recht gefürchteten lokalen Bier hingestreckt – längst auf ihrer Bettstatt, ab mich ein elefantöses Stampfen, von metallischem Scheppern begleitet, aus dem Schlaf reißt. Sag mal nichts, denk ich, du bist zum ersten Mal in LA. Wer weiß, was da gespielt wird…

Als mich Peter Steele, der laternengroße Sänger, Bassist und Songwriter der Band, am nächsten lag gut gelaunt rülpsend und auch sonst mit ausgesuchter Höflichkeit empfangt – seine Suite liegt genau über der meinigen -, weiß ich, was gespielt wird. Ich sehe die Hantelbank auf dem Balkon, und ich sehe viel Eisen. Sehr viel Eisen.

Steele ist Bodybuilder aus Passion, denkt sich aber nicht viel dabei – im Unterschied zu Henry Rollins etwa, der sein profanes Hanteltraining metaphysisch überhöht und als eine Art Exerzitium in Demut auffasst. „Keine Metaphysik“, winkt Steele ab. „Wenn die Leute für ein Konzert bezahlen, sollen sie auch jemanden zu sehen bekommen, der sich sehen lassen kann. Das ist alles.“

Gesunder Pragmatismus, der Type O Negative schon früher geholfen hat. Als sie noch nicht von den Schwermetall- und Gothic-Gazetten hofiert wurden, noch nicht auf jedem zweiten Titelbild ihr Schmerzensmänner-Pathos mimisch in Szene setzen durften, spielte er geschäftstüchtig mit ein paar nazistischen Reizwörtern, schrieb einen gezielt provokanten Song namens „Der Untermensch“ und durfte sich alsbald die Hände reiben, da die einschlägige Spartenjournaille Sturm – und ihre Leserschaft in die Plattenläden lief.

Inzwischen hat Steele dergleichen nicht mehr nötig, also lässt er’s. Auf dem jüngsten Album „World Coming Down“ betreibt er dafür ausgiebig Psychohygiene und schreibt sich den Defätismus und die Trauer über den Verlust einiger Angehöriger von der Seele. Bisweilen mutet das zwar schon arg schablonenhaft an, aber dennoch: Lieder wie „Everything Dies“ oder „Everyone I Love Is Dead“ sind lyrische Vanitas-Beschwörungen von geradezu barocker Wucht. Freilich ohne den Hoffhungsspender Religion. Denn die heißt bei den sinistren Jungs erklärtermaßen: Nihilismus. „Ich hätt mich schon längst umgebracht, wenn ich nicht so ein Feigling wäre“, deklamiert Steele mit Inbrunst.

Überflüssig zu sagen, dass hier heftig Imagepflege betrieben wird – was spätestens dann evident wird, wenn wir die gleichen morbiden Phrasen aus Kenny Hickeys grinsendem Mund hören, dieser Frohnatur, dieses munter scherzenden Patrons, der sich gar nicht genug darüber freuen kann, dass seine Gitarre auf dem neuen Album nicht mehr im Mix versumpft. Nicht zuletzt deshalb klingt „World Coming Down „orthodoxer als der Vorgänger, der sich von den Hardrock-Urgründen doch weit entfernte und seine Affinität zu Steeles Avantgarde-Favoriten Bauhaus, Laibach, The Curve und Cocteau Twins verriet.

Auf „World Coming Down“ verbindet man nun den schleppenden 70er-Jahre-Düstermetal („Wir sind nun mal mit Black Sabbath aufgewachsen“) mit dezenten Avantgarde-Anleihen. Gleich im ersten Titel „White Slavery“ gibt’s eine selbstironische Reprise, die man ab Leitmotiv in den Song gepflockt hat: die wohlbekannte, düster-gezogene E-Saite von Sabbaths „lron Man“. Ja, da hab ich mir ’nen kleinen Scherz erlaubt“, grinst Kenny. Und das trotz Trübsal und Tristesse.

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