Bob Dylan live in Wien: Gut gespielt, keine Frage – aber irgendwie doch beliebig

Bob Dylan live, das ist ein eigener Mikrokosmos. Ein in sich gut funktionierender, alterssturer Mikrokosmos.

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Es war, leider, ein Abend ohne Überraschungen. Dass die Setlists des derzeitigen Abschnitts seiner „Never ending tour“ größtenteils identisch sind, ist hinlänglich bekannt. Dass dies sich dies bei seinem Konzert in der Wiener Stadthalle ändern würde: natürlich völlig unrealistisch. Als Bob Dylan und seine bestens eingespielte Band um punkt halb acht ohne Ankündigung auf die Bühne kommmen, ist eigentlich bereits alles klar – am ehesten auf kleine Nuancen sollte es ankommen, und auf diese achtet man bei Dylan ja besonders. Von der Bühnenkapazität der Wiener Stadthalle nutzt „His Bobness“ nur einen minimalen Anteil, die Video-Leinwände bleiben sowieso von Vorhängen verdeckt, und auch beim Bühnenlicht gibt man sich spartanisch: Ein paar recht ansehnliche Scheinwerfer, die allerdings auf Sparflamme gefahren werden, machen Dylans Gesicht für die meisten Besucher schwer zu erkennen. Dass die meiste Zeit die Krempe seines Cowboyhuts zusätzlich Schatten warf, macht es nicht besser.

Bob Dylan live, das ist ein eigener Mikrokosmos. Ein in sich gut  funktionierender, alterssturer Mikrokosmos. Mit dem derzeitigen Line-Up hat der 73-Jährige die ideale Band für seine Vorstellung seines Spätwerks gefunden. Blues, Country, Rock’n’Roll-Archäologie: Jeder einzelne Musiker beherrscht die von Dylan angestrebte Gangart meisterlich. Gitarre spielt Dylan schon lange nicht mehr. Die meiste Zeit steht er ein wenig breitbeinig am Mikrophonständer, greift zur Bluesharp. Manche seiner Solos auf letzterer glücken an jenem Abend. Andere wiederum sind davon weit entfernt: bei (einer ansonsten überraschend schön gesungenen Version von) „Simple Twist Of Fate“ beispielsweise – einem der zwei gespielten Songs eines seiner Großwerke, „Blood On The Tracks“. Oder Dylan sitzt am Flügel, spielt rudimentäre Chords und erfreut sich hier und da an kleineren Fills, die ihm scheinbar am Weg einfallen.

Keine Frage: Man hat Dylans Stimme – oder das, was nach Jahrzehnten des Tourens davon noch übrig ist – schon in schlechterem Zustand erlebt. Und die, die gerne Best-Of-Konzerte von Nachlassverwaltern hören, sind bei Dylan sowieso fehl am Platz. Zum einen, weil der Fokus auf neuerem Material liegt. Zum anderen, weil auch Altbekanntes völlig rearrangiert wird. Wohl, weil ihm so der Spaß daran erhalten bleibt. Dass diese Song-Dekonstruktionen nicht immer das reinste Vergnügen waren: selbstredend. Auch an diesem Abend ist die Schwankungsbreite durchaus hoch. Während die erste Zugabe, „All Along The Watchtower“ durchaus vital, muskulös und dynamisch abwechslungsreich daherkommt, plätschert Dylans Idee davon, wie er „Blowing In The Wind“ im Jahre 2014 noch als Abschlussnummer spielen könnte, belanglos und recht langweilig dahin.

Von seinem 1997er Album „Time Out Of Mind“ gibt es eine gelungene Version von „Lovesick“ zu hören. Auch die Songs der Folgealben funktionieren eigentlich blendend, „Duquesne Whistle“ oder „Beyond Here Lies Nothing“ beispielsweise, nur bei „Early Roman Kings“ will der Funke auch innerhalb der Band nicht recht überspringen. „Forgetful Heart“: beinahe rührselig schrullig. Nur: gerade bei den von Dylan auf den neueren Alben so beherzt zelebrierten bluesigeren Nummern stellt sich nach einiger Zeit eine Art inflationäre Beliebigkeit ein. Gut gespielt, keine Frage – aber irgendwie doch beliebig.

Irgendwann ist dann Schluss, Dylan stellt sich nochmal nahezu reglos vors Publikum. Er soll angeblich während des Konzerts so etwas wie ein Grinsen im Gesicht gehabt haben, zumindest will das ein Zuschauer neben mir bemerkt haben. Ob Dylan dieser Abend Spaß gemacht hat: wie immer schwer zu sagen. Dieses Verweigern der Nachlassverwaltung muss man Dylan hoch anrechnen, dafür sind sie viel zu groß, die Lieder, die Projektionsflächen, die Mythologien. Notwendig auch die Distanz: zum Publikum und auch zum eigenen Mythos. Gegen diesen Mythos könnte er nur verlieren.

Die Karawane zieht weiter, am nächsten Tag steht ein weiteres Österreich-Konzert an. Die niemals endende Tour, sie muss schließlich weitergehen.

Setlist:

1. Things Have Changed

2. She Belongs to Me

3. Beyond Here Lies Nothin‘

4. What Good Am I?

5. Duquesne Whistle

6. Pay in Blood

7. Tangled Up in Blue

8. Love Sick

9. High Water (For Charley Patton)

10. Simple Twist of Fate

11. Early Roman Kings

12. Forgetful Heart

13. Spirit on the Water

14. Scarlet Town

15. Soon after Midnight

16. Long and Wasted Years

Zugabe:

17. All Along the Watchtower

18. Blowin‘ in the Wind

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