Boulevard der Dämmerung

Do Movies Make Money?“, fragte die „International Herald Tribüne“ vor einem Jahr während des Autorenstreiks in Hollywood – und gab die wenig überraschende Antwort selbst: Steigende Kosten und sinkende Erlöse zehren immer mehr vom Profit auf. Zudem bleibt das meiste Geld bei den Stars hängen. Die spielen oft nur noch mit für lukrative Beteiligungen von bis zu zehn Prozent – am Umsatz der Filme, nicht deren Gewinn. So musste etwa Disney nur dafür in den letzten fünf Jahren rund 550 Millionen Dollar zahlen.

Pikant an dem Artikel ist: Die Analyse dazu hatten Finanzprofis von Merrill Lynch errechnet. Dabei sind sie selbst stark im Filmgeschäft involviert. Eine Milliarde Dollar pumpten sie im Frühjahr 2007 in die Produktionsfirma Summit Entertainment („Mr. & Mrs. Smith“). Und noch im Dezember transferierten sie 500 Millionen Dollar an das Traditionsstudio United Artists, das Tom Cruise kurz vorher übernommen hat und der mit dem Geld auch sein Stauffenberg-Projekt „Valkyrie“ produzierte. Nun ist die Investmentbank pleite. Zum Verhängnis wurden ihr und rund einem Dutzend anderen Geldinstituten zwar die riskanten Ramschkredite auf dem kollabierenden US-Immobilienmarkt. Doch die daraus resultierenden Liquiditätsengpässe treffen Hollywood ebenso wie andere Wirtschaftszweige.

Für fast 13 Milliarden Dollar haben die Großbanken und Hedgefonds seit 2004 gut 150 Filme mitfinanziert. In 45 Produktionen investierte allein die Citigroup, die zuletzt Kreditausfälle in Höhe von 18 Milliarden Dollar abschreiben musste. Der ebenfalls angeschlagene Wall-Street-Gigant Goldman Sachs half der neuen Produktionsfirma von Bob und Harvey Weinstein mit knapp 300 Millionen Dollar aus. Rentiert haben sich die wenigsten Investments ins Filmgeschäft. Aber es war viel Geld, zu viel Geld da, bevor die Immobilienblase platzte. Der globale Börsenboom, Spekulationen mit Rohstoffen und Derivaten, hatte zu irren Renditen geführt. Zugleich wuchsen die Filmbudgets in exzessive Höhen – vor allem wegen der digitalen Effekte, ohne die Produzenten von Blockbustern nicht mehr auszukommen glaubten. So entstanden immer teurere Filme, aber auch mehr Flops. Doch die Geldsäcke von der Wall Street haben das Risiko bei Verlusten bisher abgefedert.

Sollten jetzt die Heuschrecken abziehen, könnten bald die Pleitegeier über dem Sunset Boulevard kreisen. Selbst die größten Filmstudios können die Produktionskosten alleine nicht stemmen. Daher wird vermutet, dass Warner den sechsten „Harry Potter“-Film, der in diesem November starten sollte, wegen Finanzierungslücken auf den Sommer 2009 verschoben hat. Und im Juli scheiterte zwischen Paramount Pictures und der Deutschen Bank ein Deal über 450 Millionen Dollar, womit neben anderen „Transformers 2“ und ein weiterer „Star Trek“-Film finanziert werden sollten.

Seine Unabhängigkeit hatte Hollywood spätestens in den Siebzigern verloren. In der ersten Kinokrise der 80er Jahre legten die Japaner ihre Unternehmensgewinne in Hollywood an. Im Jahrzehnt darauf kauften Konzerne ganze Studios auf – wie Viacom 1994 Paramount. Danach kam die Zeit der steuerbegünstigten Filmfonds: „Silly money“ nannte die Branche spöttisch die Anlagemodelle aus Deutschland. Nun werden wohl Inder und Araber kommen. Der Staatsfond von Abu Dhabi will eine Milliarde Dollar in Hollywood investieren, obwohl die Ölscheichs vor einem Jahr für die gleiche Summe schon mit Warner kooperiert haben. Und Steven Spielbergs Dreamworks hat sich mit 500 Millionen von indischen Investoren beim langjährigen Partner Paramount rausgekauft.

In diesen Ländern musste Oliver Stone sich dann das Geld borgen, sollte er das Debakel des US-Kapitalismus verfilmen wollen. Titel: „Wall Street II: Return Of Gekko“.

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