Brody Dalle, Sängerin der Los-Angeles-Rocker THE DISTILLERS und derzeit coolste Frau im Rock’n’Roll, hat die Teen-Punk-Phase als Lebensform etabliert

„Courtney Love“, flüstert der Schlagzeuger Andy Granelli. Wenn jemand zum hunderttausendsten Mal den Namen Courtney Love im Angesicht seiner Sängerin ausspricht, dann will er das schon selbst tun. Die Frage hatte so begonnen: „Brody, beim Konzert hat mich dein Anblick auf der Bühne ganz stark erinnert an…“ – „Courtney Love?“ flüstert Granelli, spöttisch. Falsch. Anjoan Jett. Bübische Gitarristin der ersten rockenden All-Girl-Band Runaways, später „I Love Rock’n’Roll“, der erste rockende All-Girl-Karaoke-Song. „Mach dich auf keinen Fall über die Runaways lustig!“ droht Brody Dalle, die Angesprochene. „Als ich 15 war, war Joan Jett die Allergrößte für mich, und mir fallen nicht viele andere Frauen ein, von denen ich das sagen könnte. Nach den Runaways kam nur Scheiße.“ Sie lacht tief und verächtlich, ein böser Engel.

Brody Dalle ist aber schon eine Göttin. Sie hat Leute dazu gebracht, sie in heroischen Stellungen zu fotografieren, hochgezogene Nase, Hand in der Hüfte, und diese Bilder ganzseitig zu drucken, weil daneben kein Platz mehr gewesen wäre (auch nicht für die Männer ihrer Band The Distillers). So cool und schön kann sie aus unmittelbarer, irdischer Nähe gar nicht sein – da bemerkt man das Zerfressene, Verwundete und bekommt erstens Mitleid und zweitens ein bisschen Angst. Sie hat vergangenen Sommer ihren Mann Tim Armstrong gehörnt, den Rancid-Sänger aus L. A., den letzten echten Punk Amerikas, und geht jetzt mit Josh Homme von Queens Of The Stone Age. Eine B-Prominenten-Anekdote, die wie ein beispielarmer Akt weiblicher Selbstermächtigung aussah. Vor allem, weil Brody Dalle, 24, sich nicht entschuldigt hat.

V&nn sie im Konzert die Gitarre wie nichts Gutes behandelt, macht sie das in einem schwarzen T-Shirt mit der Aufschrift „Heroine“, meint damit offenbar sich selbst, während alle anderen in der Halle mit ihren Merchandise-Hemden nur auf andere Bands hinweisen. Der „NME“ wählte sie zu Recht Ende 2003 zur aktuell coolsten Frau im Rock’n’Roll. Mit der ausdrücklichen Betonung, dass das mit der Musik der Distillers nichts zu tun habe.

„Coral Fang“, die neue Distillers-Platte, hat Blut auf dem Cover. Symbolisches Blut, aus Kreuzigungen und inneren Verletzungen und Monatsregeln. Die völlige Abwesenheit von Humor und heiterer Distanz zu den Dingen, die einem punkig auf den Magen schlägt, ist Brody Dalle durchaus bewusst „Zu unserer Musik kann man nur auf hirnlose Art tanzen. Stagediving und Pogo sind hirnlos, und jeder hat mal so eine Phase, und dann wächst man da wieder raus. Jesus Christ, ich würde mkfucking den Hals brechen.“

Dass Brody eine Marke ist wie die derzeit nicht ansprechbare und ihrer Gegenwart nicht aussprechbare Courtney, liegt aber gerade daran: Die Jungmädchen-Punkphase, in der Tattoos gestochen und später bereut werden, hat sie für sich zu einer stabilen Lebensform gemacht. Woran die Mädchen wiederum sehen, dass das doch nicht alles nur Quark und Sehnsucht sein kann. Im Sinne Joan Jetts: Möge der Rock’n’Roll sie zurücklieben.

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