Bruce Springsteen live in München: Mehr Rock’n’Roll kann es nicht geben

Bei Springsteen und seiner E Street Band scheint alles möglich. Es gibt keine andere Rock'n'Roll-Band, die so dermaßen den Aufbruch feiert, das Sich-nicht-kleinkriegen-lassen, die Lust und die Leidenschaft, immer und immer wieder.

Warum nicht? Vielleicht ist das die Frage, die sich Bruce Springsteen häufiger stellt als jede andere. Vielleicht ist das der Grund, warum seine Konzerte nicht nur einfach Konzerte sind, sondern immer wieder ein Fest. Und eine Bestätigung: Es gibt noch Rock’n’Roll, und es gibt noch Leben, und wir werden beides festhalten, solange es geht.

Warum nicht schon um 19.15 Uhr auf die Bühne des Münchner Olympiastadions kommen und dann erst mal ein Gitarrensolo spielen? Springsteen kann machen, was er will. Nach „Prove It All Night“ kommt schon „Badlands“, die E Street Band braucht keine Aufwärmphase. Bei „Out In The Street“ schmeißt der Sänger vor lauter Begeisterung aus Versehen sein Mikrofon weg und muss über sich selbst lachen, bei „Hungry Heart“ läuft er zwischen den Wellenbrechern hin und her, um dem Publikum möglichst nahe zu sein, was bei 56.000 Leuten nur ihm gelingt. Im Sonnenlicht erinnert er sich daran, dass es an derselben Stelle vor drei Jahren während des ganzen Konzerts in Strömen regnete, „last time I froze my ass off!“

Er redet nicht sehr viel an diesem Abend, die 31 Songs erzählen genügend Geschichten – ziemlich viele düstere diesmal. Auf das stampfende „Death To My Hometown“ lässt er „My Hometown“ folgen. Die Mundharmonika kommt oft zum Einsatz, besonders schön bei „The River“. Das „The River“-Tourmotto nimmt er inzwischen allerdings nicht mehr so ernst, sechs Songs vom Album gibt es, einen weniger als von „Born In The USA“. Auch zu „American Skin (41 Shots)“ muss er nicht viel sagen, das Lied ist ja leider immer passend, direkt danach wirkt „The Promised Land“ besonders bedrückend. „I’m On Fire“, „Because The Night“, „Thunder Road“ in der Akustikversion und dann noch „Land Of Hope And Dreams“: ein einziger Traum.

Er darf niemals sterben

Eine zähe Version von „Born In The USA“ leitet den Zugabenblock ein, der mit „Born To Run“, „Dancing In The Dark“ und „Tenth Avenue Freeze Out“ alle restlos fertigmacht. Auf der Leinwand ist noch einmal Clarence Clemons zu sehen, minutenlang; die E Street Band feiert weiter, aber sie vergisst nicht. Und dann – warum nicht? – kommt Springsteen noch einmal allein mit seiner Gitarre zurück und singt „For You“ in einer sensationell entschleunigten Version. Aus der Dringlichkeit wird Zärtlichkeit, „I could give it all to you now, if only you could ask“, und plötzlich wird klar, wie viel wir schon von Springsteen gelernt haben und wie sehr er ein Teil unseres Lebens ist (weshalb auch klar ist, dass er niemals sterben darf).

Wir wissen, dass ein Traum etwas Schrecklicheres ist als eine Lüge, wenn er nicht wahr wird. Dass es spät ist, aber wir es schaffen können, wenn wir rennen. Wir nehmen so viel mit, wie wir tragen können, den Rest lassen wir einfach liegen. Wir sind bereit, wieder jung zu sein, und wir geben nicht auf. Wir tauschen die Flügel gegen ein paar Räder, um endlich rauszukommen.

Nach dreieinhalb Stunden mit der E Street Band scheint alles möglich, es gibt keine andere Rock’n’Roll-Band, die so dermaßen den Aufbruch feiert, das Sich-nicht-kleinkriegen-lassen, die Lust und die Leidenschaft, immer und immer wieder. Am Sonntag spielt Bruce Springsteen im Berliner Olympiastadion. Gehen Sie hin, wenn Sie irgendwie können – mehr Rock’n’Roll gibt es nicht, und mehr Leben auch nicht.

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