Can’t Stop The Hardcore: 5 Gründe, warum Scooter die Welt retten

Stets belächelt und doch unsterblich. Auf der „Can’t Stop The Hardcore Deutschland-Tour“ blicken wir hinter die Scooter-Fassade – und finden gute Gründe, warum die Trash-Raver zu einer besseren Welt beitragen.

1. Das Glück liegt in den einfachen Dingen

Kopf aus, Pyro! Ein paar Promille, Laserstrahlen, Flammenwerfer und ein erklingendes „Döp Döp Döp Dödödöpdöp“ zu Ravebeats reichen aus, um tausende Scooter-Fans für einen Abend den alltäglichen Weltschmerz vergessen zu lassen. Richtig glücklich machen die ausgefuchst kurzen, sich stets wiederholenden Lyrics. Die sind nach einmaligem Hören verinnerlicht und können sich selbst weggeschossene Köpfe merken („Was wollen wir trinken, sieben Tage lang, was wollen wir trinken?“, „Ace, Ace, Ace fucking Ace!“).

Laute Bässe verjagen böse Gedanken, und schon bei dem diesjährigen Vorband-DJ Micar, der Tranceversionen von The Verves „Bitter Sweet Symphony“ oder „I Want It That Way“ von den Backstreet Boys raushaut, verschwimmen Raum und Zeit. Zu Konzertbeginn, der im Eifer des Rauschs fast in Vergessenheit gerät, ist ein Großteil im Saal sturzbesoffen, aber selig. Getreu dem Motto: Faster, harder, Scooter.

2. Scooter vereint die Völker

Auf einem Scooter-Konzert muss man nichts können, haben oder sein. Jeder spricht mit jedem, überall grinsende Gesichter und ausgelassenes Miteinander. Viele hier, so scheint es zumindest, leben nicht auf der gesellschaftlichen Sonnenseite. Die Pommesverkäuferin tanzt mit Knast-Kalle, Atzen und Studenten liegen sich liebevoll „always fucking Hardcore!“-grölend in den Armen. Wie im Fußballstadion. Auch hier ist die Fangemeinde Generationen übergreifend: Viele Jungs um die 20, zehnjährige Kinder mit ihren Eltern und natürlich eingefleischte Rave-Veteranen. Nach Deutschland tourt die Band durch Russland (dort lebt auch Baxxters schöne, neue 19-jährige Freundin).

Der Mix aus emotionalen Melodien, dem Scooter-Englisch, tanzbaren Rhythmen und Showelementen ist leicht zu entschlüsseln und bizarr bis lustig. Love, Peace und Aggro-Vibe, der Menschen von Düsseldorf bis Yekaterinburg glücklich stimmt. Völkerverständigung leicht gemacht.

3. Mit Anti-Fundamentalismus zum Weltruhm

„Don’t take life too seriously“ ist das Motto H.P. Baxxters, der im echten Leben Hans Peter Geerdes heißt und stets etwas roboterhaft daherkommt. Scooter sind dazu verdammt, nicht ernst genommen zu werden. Das war aber auch nie der Plan. Frieden fängt bei einem selbst an, die Jungs lassen sich nicht beirren. Eine treue Fanbase, volle Hallen und internationaler Ruhm geben ihnen Recht. Die Dagobert Ducks unter ihren Jüngern investieren während der Tour 200 Euro für Platin-Member-Karten, um vor dem anderen Pöbel in die Halle zu dürfen, dann in Saalmitte auf einem VIP-Podest zu thronen und nach dem Konzert die Band für ein Handyfoto zu belästigen. Für einen Hunderter mehr darf man auch noch für fünf Lieder auf die Bühne. Da können Stilpolizisten im Boden versinken, sich für das schlechte Englisch, die bis zu den Grenzen der Geschmacklosigkeit ausgereizten Texte und Großraumdisco-Beats fremd schämen. Gerade dieser Anti-Perfektionismus ist es, den Scooter in Perfektion beherrschen, der sie real sein lässt und unverwechselbar macht.

4. Sie bleiben sich im Herzen treu

„Is there anyone who likes to fuck? We want to fuck the millenium!“ grölen Scooter beim Berliner Konzert. Seit 23 Jahren im Geschäft und auch beim aktuell 18. Studioalbum „Ace“ kein bisschen vom Kurs abgekommen. Musikalische Neuerfindung stand bisher nicht auf ihrem Programm. Die Technik mag mit der Zeit voranschreiten und die Shows sind sicher über die Jahre aufwändiger geworden, aber sie klingen immer noch wie 1993. Verlässlich sind sie einfach, was sie sind und stehen dazu. In einer sich rasant verändernden, unübersichtlichen Welt genießen hartgesottene Fans, von denen es einige gibt, die Sicherheit: Wo Scooter draufsteht, ist auch Scooter drin.

5. Mal was wagen: Modische Vielfalt

Dem Durchschnitts-Deutschen wird bei Modefragen gerne mangelnde Hingabe und Einfallslosigkeit unterstellt. Nicht auf einer Scooter Tour! Hier feiern – Überraschung – nicht nur die Clubwear der 90er Jahre (wieder im Kommen!), also hautenge Shirts mit fluoreszierenden Reflektorbalken, taschenbesetzte Tunnelschlaghosen und schwarzgraue Nadelstreifenhemden ihr unsterbliches Revival. Zeitgenössische Labels wie Camp David finden sich ebenso, wie liebevoll mit Eddingkunst bemalte Neon-Warnwesten („How much is the Fish?!“). Vom Leben gezeichnete Mittzwanziger kombinieren Retro-Scooter-Tourshirts im Tribaldesign mit schweren Silberketten. Und wo das Auge hin schweift, Frisuren-Experimente: flippige Blumen, formgewagte Kurzhaarschnitte, dazu nie gesehene schwarzblonde Dachs-Farbverläufe. Vorzugsweise getragen von selbstbewussten Frauen um die 50. Die Gogo-Tänzer auf der Bühne leben die Gleichberechtigung: Die Jungs performen teils halbnackt, die Girls verzaubern mal in hautengen Spacesuits, mal im Burlesque-Stil mit Federkopfschmuck, am Ende in Lackrot.

Und H.P. Baxxter? Der hat sich glitzernd im knappen strassbesetzten Totenkopf-Shirt mit seinem legendär weißgold gestutztem Haar über die letzten 20 Jahre gut konserviert. Eine Stilikone, always hardcore.

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