Cat Power – Volksbühne, Berlin

Bei der Umsetzung des Southern-Soul-inspirierten "The Greatest" lassen biedere Memphis-Mucker die charmante Überzeugungstäterin Cat Power im Stich

Chan Marshall beginnt diesen Abend mit der – neben „Ladies and gentleman, please welcome Columbia Recording Artist Bob Dylan“ – wohl bekanntesten Begrüßungsformel des Pop: „Hello, I’m Johnny Cash“ haucht sie ins Mikro. Mit diesem Satz, der einst für Wahrhaftigkeit stand wie wohl kein anderer, will sie sich an diesem Abend in die amerikanische Tradition mogeln. So wie sie es schon so oft erfolgreich getan hat. Auf ihren dunklen Folk-durchtränkten Alben mit eigenen Songs, aufder inspirierten Coverversionen-Platte und nicht zuletzt auf ihrem aktuellen Album „The Greatest“, für das sie ein paar alte Musiker-Haudegen aus Memphis kaperte – und den Southern Soul gleich mit.

Wenige Minuten nach dieser launigen Begrüßung lacht niemand mehr, denn wenn Marshall ganz allein auf der Volksbühne ihre Biografie anrührend im Traditional „House Of The Rising Sun“ verpackt, kann man nur noch still staunen und weinen. Die Gedanken der ihre Introvertiertheit in ausladenden Gesten versteckenden Frau sind nicht immer nachvollziehbar, dafür voller Willkür und Fantasie.

Ob die alten Soulrecken von „The Greatest“. die sie auch live begleiten, ihr da folgen können? Oder wollen? Ums vorweg zu nehmen: Die elfköpfige Begleitcombo überzeugt eher auf Papier und Platte als im Konzert.

Gleich zur Ouvertüre schludern sie ein Allerwelts-Instrumental hin, dass selbst Musikschule Müller aus Reinickendorf veritabler hingekriegt hätte. Hier stehen sowieso zu viele Notenständer rum, und Überzeugungstäter sehen anders aus. So ergibt sich eine merkwürdige Diskrepanz zwischen der intuitiv agierenden Hauptakteurin und ihrer eher bieder als inspiriert arbeitenden Begleitcombo, die an der Seite des Pseudo-Soul von Joss Stone vermutlich besser aufgehoben gewesen wäre als an der des idiosynkratischen Seelchens Chan Marshalls.

Dabei zelebriert Marshall so umwerfend charmant die Kunst des glasklaren Nuschelgesangs, wedelt mit den Handflächen, wirft sich in Joe-Cocker-Pose, macht sich über Franzosen lustig und ist immer die Erste, die nach einem Song den alten Herren in ihrem Rücken applaudiert. Hätte sie die Memphis Rhythm Band doch nur mit einigen Schweißtropfen ihrer Aura bespritzt! War man beim Genuss das Albums noch Zeuge der Einheit von Kapelle und Stimme, wirkt die Performance wie eine Zweckgemeinschaft, deren schöne Momente in „Lived In Bars“ oder eben „The Greatest“ nicht erzwungen, sondern zufällig sind. „Once I wanted to be the greatest /No wind or water fall could stall me/ And then came the rush of the flood.“ Altes Liedgut ist an diesem Abend selten. Gegen Ende misstraut Marshall gar dem eigenen Werk und flüchtet mit ihren stumpfen Begleitern zu Coverversionen. „Satisfaction“, das sie sich auf „The Covers Record“ noch so unvergleichlich zu eigen machte, hat hier ebenso wie Gnarls Barkleys „Crazy“ eher einen faden Beigeschmack. So erschmieren sich sonst Tanzabend-Kapellen ihr Publikum – mit Lug und Betrug.

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