CD im Heft: New Noises 19: „Summer Almost Gone“

Ob großer Pop oder Postpunk, ob süffig instrumentierter Roots-Rock oder Graswurzel-Folk: Unsere Heft-CD im September schlängelt sich elegant durch die Stile

1. „Holy Fool“ – O Emperor

Im Jahr 2010 machte das Quintett aus dem irischen Watford erstmals musikalisch auf sich aufmerksam. Lange brütete die Band danach, bastelte an einem Nachfolger, nahm auf und produzierte selbst. Und tatsächlich ist es O Emperor gelungen, mit „Vitreous“ ihre Mischung aus psychedelischem Pop und Lo-Fi-Rock weiter zu verfeinern. In „Holy Fool“ fräsen sich E-Gitarren unter hauchdünne Synthie-Schwaden und flirrende Knabengesänge.   

2. „Half Of Me“ – Justin Currie

Für das Cover seines dritten Albums hat sich Justin Currie vor filmreifer Wes­tern-Kulisse nach allerbester John-Ford-Manier ablichten lassen. Musikalisch ist der Schotte aber eher daheim auf den britischen Inseln geblieben, wo er sich hörbar wohler fühlt. „Half Of Me“ ist eine feine Beatles-Ballade mit Ringo-Schlagzeug, John-Gesangsharmonien, Paul-Klavierakkorden à la „Let It Be“ und George-Reverse-Gitarren. Produziert hat das Prachtstück Mike McCarthy, der schon Spoon und Patty Griffin seinen trockenen, aber nicht minder süffigen Sound angedeihen ließ.

3. „Black Sheep“ – Alela Diane

Vor zwei Jahren hatte sich Alela Diane mit ihren Begleitern Wild Divine im verdorrten Alternative-Folk-Gestrüpp vergaloppiert und verheddert. Jetzt kehrt unsere liebste Songwriter-Squaw mit einem Trennungsalbum eindrucksvoll zurück. Noch intimer und reduzierter, dabei offener und mit entwaffnender Direktheit verhandelt Diane auf „About Farewell“ die zwei Seiten einer in die Brüche gegangenen Beziehung und tritt damit in die Fußstapfen von Giganten wie Willie Nelson („Phases And Stages“) und Ingmar Bergman („Szenen einer Ehe“). „Black Sheep“ soll durch seinen Titel nicht verwirren: Hier gibt es kein Selbstmitleid.  

4. „Beekeeper“ – Aoife O’Donovan

Kennern dürfte Aoife O’Donovan schon seit einigen Jahren als Sängerin der Blue-grass-String-Band Crooked Still ein Name sein. Zudem war ihre Stimme in den Fernsehserien „True Blood“ und „Private Practice“ zu hören. Sogar Alison Krauss zeigte sich begeistert über die Talente der Songwriterin aus Massachusetts und coverte einen ihrer Songs. Doch erst auf ihrem Debütalbum, „Fossils“, tobt sich O’Donovan kreativ aus und versucht sich an verschiedenen Stilen, wie der fulminant gesteigerte Country-Rocksong „Beekeeper“ zeigt.  

5. „Places To Die (Before You See The World)“ – Rob Moir

Irgendwo zwischen Frank Turner und Chuck Ragan hat sich der kanadische Songwriter Rob Moir eingerichtet. Auf seinem Debüt verbindet er sympathischen Hemdsärmel-Rock mit gutem, altem Punk-Gestus. „Places To Die (Before You See The World)“ ist ein wütendes Nein zu den Schattenseiten der modernen Welt mit jeder Menge Zeilen, die mit „I don’t want to“ beginnen: „I don’t want to die in a prison cell/ I don’t want to die in a war-torn hell/ I’ll work all day, all night for free/ I don’t have to die in the factory“.

6. „The Rock“ – Deer Tick

Deer Tick als amerikanische Band zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung. Denn sie sind sehr amerikanisch. Das erkennt man schon an ihren Albumtiteln. Eines nannten sie „Born On Flag Day“, auf dem letzten huldigten sie ihrer Heimatstadt und tauften es „Divine Providence“. Aber so schön in den Traditionen von Bluesrock, Folk und Country geschwelgt, wie auf ihrem neuen Werk „Negativity“, hat die Band wohl noch nie. Allein in „The Rock“ wird alles aufgefahren, was der Roots-Fan mag, vom unheilschwangeren Akustik-Intro bis zum bläsergetränkten Refrain. Und Sänger John McCauley röhrt sich die Seele aus dem Leib.

7. „Watching The World“ – The Builders And The Butchers

Ebenfalls zwischen Country und Folk changierend, allerdings mit mehr Hang zum Graswurzelhaften, präsen­tieren sich The Builders And The Butchers aus Portland. „Watching The World“ vom neuen Album „Western Medicine“ ist ein mitreißendes Stück, das von Mandoline, Banjo und Viola getragen wird. Da haben sie bei den Nachbarn von den Decemberists gut zugehört. 

8. „Gold“ – One Sentence. Supervisor

Man kann es beinahe nicht glauben, dass dieser Song, diese hymnischen Gitarren, dieser leicht düstere Gesang aus der Schweiz kommt. Tatsächlich aber stammen One Sentence. Supervisor aus dem Bezirk Baden, wo sie seit August vorigen Jahres an ihrem Debütalbum gefeilt haben, das die großen Postpunk-Vorbilder Joy Division belehnt.  

9. „Somebody“ – Hannah Georgas

Die Kanadierin Hannah Georgas spielte bereits zu Schulzeiten in einer Rockband, in der unter anderem auch Arkells-Schlagzeuger Tim Oxford war. Auf ihren Soloplatten lässt sie es eher poppig angehen. „Somebody“ treibt zum leichten Disco-Wave-Beat, während Georgas inständig hofft, das dem Ex jemand das Herz bricht, damit er endlich einmal begreift, wie sich das anfühlt.

10. „Loadstones“ – The Fall

Keine Liebe kann es geben, wenn ein alter Bekannter zuverlässig mies gelaunt zurückkehrt: Mark E. Smith quengelt und nuschelt sich auch auf dem 30. The-Fall-Album so unflätig wie unnachahmlich durch ein paar giggelnde Punk-Akkorde. Dazu flaniert höhnisch eine Orgelmelodie.

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