Clockhammer versöhnen die Rockmusik mit romantischer Lyrik

Mit der Stadt Nashville sind viele Trivialmythen, viele Hoffnungen und Träume verbunden. Die Country-Industrie versorgt von dort aus den amerikanischen Gefühlshaushalt mit süßen Lügen, patriotischem Schmonzes und freundlichem Fernfahrerkitsch. Doch Nashville ist auch ein Hort der Renitenz und des Wunderbaren. Aus der Mitte Amerikas entspringt manchmal Musik, die über die geographischen und geistigen Grenzen des Landes hinausweist.

Byron Bailey stammt aus Nashville, aber die einheimische Folklore ist ihm fremd geblieben. Nach dem Hören von Black Sabbath und Led Zeppelin, nach der Lektüre der Lyrik von Sylvia Plath und Anne Sexton gründete er 1986 die Band Qockhammer. Seitdem erschienen drei Alben von irritierender Stringenz, Geschlossenheit und Klischeeferne: Zu präzise gespielten Hardrock-Gitarren, Jazz-Strukturen und abrupten Brüchen singt Bailey mit geschmeidig-sehnsuchtsvoller Stimme romantische Texte. „Klinefelter“, das zweite Album, wurde mit zweijähriger Verspätung auch in Deutschland veröffentlicht. „So Much For You“, das neue Meisterwerk, erreichte uns ohne Verzögerung.

Das ist wichtig, denn Byron Bailey hat nicht mehr viel Zeit. Der 32jährige finanziert sich mit Schreinerarbeiten. Als seine Mutter an Krebs erkrankte, lernte er das Diätkochen und kümmerte sich um den Haushalt. Nach verschiedenen Umbesetzungen hat er nun die endgültige Formation von Clockhammer gefunden. Nach Streitigkeiten während der Aufnahmen zu „Klinefelter“ ist Baileys Cousin Christian Nagle wieder dabei. Der Literatur-Student schrieb die Hälfte der Texte für „So Much For You „Bailey vergißt bei keiner Gelegenheit, das Verdienst des Jüngeren zu würdigen: „Christian hat mir viel über Poesie beigebracht. Es braucht eine Dringlichkeit in der Lyrik, die es auch im Metal gibt. Wir haben früher die klassischen Hardrock-Bands gehört; heute sind es Helmet und Pantera. Metal teilt sich unmittelbar, beinahe physisch mit.“ Die Düsternis, Bildermacht und Melancholie ihrer Lieder ist Bailey und Nagle so selbstverständlich wie das Atmen. Als „sensibles, intelligentes Wesen unserer Zeit“ könne man gar nicht anders, als an der Welt zu leiden, sagt Bailey bedächtig. Er spricht nicht gern – dafür ist er ein um so aufmerksamerer Zuhörer. Und was Bailey sagt, das ist von großer Klarheit und Schärfe. Nach der Todessymbolik in seinen Songs befragt, antwortet er mit einem Wort von Lloyd Cole: „Die Sprache der Melancholie ist Tiefe. Aller Frohsinn ist Oberfläche.“ Solche Sentenzen mißfallen naturgemäß Muckern, Metal-Köpfen und Anhängern der schlichten Popmusik, die bei „So Much For You“ sehr unruhig werden und reflexartig nörgeln müssen. Byron Bailey hat noch nicht alle Hoffnungen fahrenlassen, aber „es sollte nun vorangehen“. Den Begriffsstutzigen antwortet er in „Now Begins The Rain“: „Only depths are measured endlessly.“ Vielleicht ist dennoch alles vergeblich. Aber Bailey denkt nicht an Selbstmord: „Ich kapituliere nicht“ All to ash, all to dust.

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