Conscious Rap: Dies sind die drei wichtigsten HipHopper 2013

Es gibt auch eine Welt jenseits von Champagner, Sportwagen und Guns: Eine neue Generation von Realo-Rappern ist da. Earl Sweatshirt, Joey Bada$$ und Angel Haze kommen mit klassischen Beats statt wabernden Trap-Basslines und setzten tiefgründige Texte gegen das „Money, Money, Money...“-Mantra.

Ein Aufkleber bringt es auf den Punkt: „Fuck Rap, reclaim HipHop“ steht da. Darunter ist im Verkehrsschild-Look ein kleiner Truck zu sehen, der eine Stretch-Limo abschleppt. Wenn HipHop tatsächlich diese liegengebliebene Luxus-Limousine ist, könnten Earl Sweatshirt, Joey Bada$$ und Angel Haze ein Teil des Abschleppwagens sein, der ihn wieder ins Rollen bringt. Aber erstmal zur Musik selbst:

Wenn man eine Weile keinen HipHop mehr gehört hat, kann ein Wiedereinstieg mit frischem Material ein richtiger Schock sein. Dass Rap nach Grandmaster Flash & The Furious Five, seit den frühen Achtzigern, etwas dekadenter geworden ist, ist nicht neu. Auch das Szene-Maskottchen Snoop Dogg trägt schon seit einigen Jahren Rolex und schenkt Champagner aus: „Got a rollie on my arm/ and I am pouring Chandon“.

Die Figuren allerdings, die gerade die Szene dominieren, wirken wie Parodien: Die Kunst von Rick Ross, Birdman und Lil‘ Wayne liegt zu großen Teilen darin, sich neue Vergleiche einfallen zu lassen, um den eigenen Reichtum zu inszenieren. Ein Märchen, und das läuft wie im Kreis: Mit der Inszenierung von viel Geld verdienen sie viel Geld. Bryan „Birdman“ Williams Label heißt übrigens „Cash Money Records“ (das Logo ist ein glitzerndes $). Lil‘ Wayne hat seinen Ableger „Young Money Entertainment“ getauft, und Rick Ross veröffentlicht auf seiner „Maybach Music Group“. So interessant zu beobachten diese Kultur sein mag, die Musik, die dabei herauskommt, ist flach wie die 100-Dollar-Scheine, die in den Videos von der Decke regnen.

Seit Rap kommerziell geworden ist, gibt es aber auch schon eine Gegenbewegung: Backpacker und „conscious rap“. Der Name „Backpacker“ kommt von den Rucksäcken, die in der Szene beliebt sind. Warum gerade Rucksäcke, ist nicht überliefert. Vielleicht spiegelt sich darin eine grundsätzlich kritische Haltung der Welt gegenüber: lieber autark sein. Besser, man hat von Regenjacke bis zum Weed alles selbst dabei, was man gebrauchen könnte: eine Safari-Ausrüstung für den Großstadt-Dschungel und das Wir-gegen-den-Rest-Gefühl einer kleinen Gemeinschaft.

Aber nicht nur die Themen des „conscious“-Rap sind anders, in aller Regel auch der Sound: Backpacker begleiten ihre ‚Street-Poetry‘ gerne mit Beats in Moll, vielleicht zu einem Klavier und einem hochgepitchten, alten Soul-Sample.

Lange jedenfalls, vielleicht seit dem Niedergang des Kult-Labels Rawkus Mitte der 2000er, gab es nicht viel, womit Backpacker ihre großen Kopfhörer hätten bespielen können. Mit Odd-Future-Rapper Earl Sweatshirt und den New Yorkern Joey Bada$$ und Angel Haze scheint jetzt eine neue „conscious“-Welle den glitzernden Dollar-Sumpf der Trap-Basslines aufzumischen.

Earl Sweatshirt

Zwar dürften sich einige schwer tun, die Odd-Future-Posse in die „conscious“-Ecke zu stecken (zu vulgär, zu aggressiv). Im Gegensatz zu Tyler, the Creator, kommt Odd-Future-Mitglied Earl Sweatshirt solo dem allerdings schon sehr nahe. Gut, die Single „Hive“ beginnt mit: „I put my fist up, after I got my dick sucked“ und geht nicht viel tiefer, bzw. höher als: „Ride dirty as the fucking sky that you praying to.“ Dafür gab Sweatshirt sich auf seiner 2012er Veröffentlichung „Chum“ um so nachdenklicher: „Too Black for the White Kids and to White for the Blacks“ rappt er da über seine Jugend und „I just used to say I hate him in dishonest jest / When honestly I miss this nigga, like when I was six“ über den Vater, den er nie hatte. Abgesehen davon unterscheiden sich einige Songs seines neuen Albums „Doris“ thematisch und textlich stark von dem, was man landläufig unter „conscious“ versteht. Was aber genau diese Songs trotzdem noch in die „conscious“-Ecke zieht, ist eine gewisse Ehrlichkeit, die in Tonfall und Nebensätzen durchschimmert. Und seien es auch nur Szenen wie „Grandma’s passing/ But I’m too busy tryna get this fuckin‘ album cracking to see her/So I apologize in advance if anything should happen“.

Joey Bada$$

Bei Jo-Vaughn Virginie Scott alias Joey Bada$$ hingegen guckt der „conscious rap“ aus allen Löchern. Mit seiner in diesem Sommer erschienenen EP „Summer Knights“ knüpft Bada$$ nahtlos an den New Yorker Sound der 90er an, obwohl er 1999 gerade mal 4 Jahre alt war. Drums, Samples und der Flow des 19-jährigen wirken wie aus dem HipHop-Museum. Das Know-How dafür stammt hingegen von jemand, der diese Zeit sehr gut kennt, bzw. der den Sound dieser Zeit gemacht hat: Seine Single „Unorthodox“ wurde von DJ Premier produziert, dessen Beats 1994 schon auf Nas‘ Illmatic zu hören waren, der noch immer gültigen Definition von „consious“ und ein Heiligtum der Szene. Aber nicht nur der Sound, auch seine Lyrics scheinen direkt aus den 90ern zu kommen: „I’m a Brooklyn nigga, basically I grind with the grimiest/ Learn how to eat in the jungle full of hyenas“, klingt so etwas dann.

In der Szene gibt es ein Sehnsucht nach genau diesem „golden age“ des Rap. Praktisch auf allen HipHop-Partys gehen die Hände irgendwann andächtig zu „Still D.R.E.“ in die Höhe. Dabei hat es nie an frischem HipHop gemangelt, den die DJ’s gerne auflegen würden. Aber Rap-Fans sind eine eigensinnige Truppe, und wirklich einigen kann man sich eben nur auf die Klassiker – vielleicht bringen sie ein Stück 1999er Jugend zurück. „Still the beat bang, still doin my thang/ since I left ain’t too much changed, still…“, gilt mehr denn je.

Angel Haze

Auch die Karriere der 2012 entdeckten New-Yorker-Rapperin Angel Haze nimmt immer mehr Fahrt auf. Im vergangenen Jahr wurde die 22-jährige Haze mit ihrer Version von „Cleaning Out My Closet“ bekannt. „This might get a little personal“ warnt sie zu Beginn. Dann rappt sie über den Eminem-Beat, wie sie als Kind vergewaltigt wurde und spart dabei keine Details aus. „Imagine beeing seven seeing cum in your underware/ I know it’s nasty but sometimes I’d even bleed from my butt“ heißt es da. Der „conscious“-Anteil erschöpft sich aber nicht in ihrer persönlichen Geschichte. „Bitch Bad“, der erste Song ihres „Classick“-Mixtapes, ist die Milieustudie einer kaputten Familie: Eine alleinstehende Mutter braucht Geld, lernt einen neuen Mann kennen, wird von ihm geschlagen und zur „Bitch“ gemacht. Ihre kleine Tochter und ihr Sohn lernen daraus, wo ihr Platz in einer Beziehung ist. „Until one day he’s out and probably playing with his friends/ and to beat and treat a woman like a bitch is what he pretends.“

Was bei Earl Sweatshirt und Haze im Gegensatz zu Joey Bada$$ aber fehlt, ist das 90er-Gehabe, die Selbstversicherung beim wahren Rap geblieben zu sein. Gerade das lässt sie aber in der Zeit zurückreisen und im alten „conscious“-New-York anknüpfen. Die Flamme weitergeben, statt der Asche zu huldigen – der Vergleich liegt nahe, würde zwischen Haze, Sweatshirt und Bada$$ wohl aber ein bisschen zu weit gehen.

Außerdem sind ja Rick Ross, Birdman, Lil‘ Wayne und die anderen Glitzer-Jungs von „Cash Money Records“ und „Young Money Entertainment“ dafür zuständig, der ‚Asche‘ zu huldigen.

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