Das amerikanische Lächeln

Eine neue Biografie porträtiert den verschwiegenen Hollywood-Star Robert Redford, der jetzt 75 Jahre alt wird, als Liebhaber von Natur und Nachhaltigkeit und melancholischen Sinnsucher.

Am 18. August wird Charles Robert Redford 75 Jahre alt. Das ist keine schöne Zahl für einen Schauspieler, der einst Maler werden wollte, dann an der Schauspielschule lernte, Jason Robards bewunderte und im Fernsehen als Substitut für George Peppard besetzt wurde, bis er mit „Barfuß im Park“ endlich bekannt und als schnauzbärtiger Gangster Sundance Kid berühmt wurde. Da war er 33 Jahre alt.

Fortan wurde er als amerikanischer Golden Boy eingesetzt: als charmanter Trickdieb in „Der Clou“, als unwiderstehlicher Student in „So wie wir waren“, als alerter Politiker in „Der Kandidat“, als unbescholtener Geheimdienst-Übersetzer in „Drei Tage des Condor“, als aufrechter Watergate-Enthüller in „Die Unbestechlichen“, als soldatischer Held in „Die Brücke von Arnheim“, als rebellischer Cornflakes-Cowboy in „Der elektrische Reiter“ und als Gefängnis-Reformator in „Brubaker“. Für einige Jahre war er der beliebteste Hollywood-Schauspieler und der größte Kassenmagnet. Dieses verwuschelte Blondhaar am Ende von „So wie wir waren“, wenn er Barbra Streisand begegnet, die noch immer Flugblätter verteilt! Die zusammengekniffenen, skeptischen Augen in „Condor“, wenn es romantisch wird mit Faye Dunaway, die so traurige Fotos macht! Und der Home Run des Helden in Barry Levinsons Baseball-Film „Der Unbeugsame“, wenn Redford seinen letzten Lauf hinauszögert, bis er von einem Blitzschlag begleitet wird!

Aber sogar in „The Natural“, wie der Film im Original heißt, ist Redford – der als Schüler ein sehr guter Baseball-Spieler war – ein gebrochener Heros, ein Mann mit einem Knacks. „The Natural“, das ist natürlich Redford selbst, dessen strahlende Erscheinung stets den Eindruck des Gelingens erweckte. Der Filmkritiker Michael Althen schrieb einmal, dass ihm offenbar alles so leicht falle, dass er auch für seine Regie-Arbeiten nicht viel Kraft aufwenden müsse. In „So wie wir waren“ liest ein Dozent Hubbell Gardiners Kurzgeschichte „Das amerikanische Lächeln“ vor: „In gewisser Weise war er wie das Land, in dem er lebte: Alles flog ihm allzu leicht zu. Aber er wusste es wenigstens.“ Möglicherweise trügt dieser Schein: Der perfekte Schwung, den Will Smith in „Die Legende von Bagger Vance“ sucht, steht für die Sehnsucht Redfords nach einem Gemälde, wie Modigliani es gemalt hat. Nach dem perfekten Skilauf in „Schussfahrt“, dem perfekten Tod in „Butch Cassidy“, dem perfekten Schwindel in „Der Coup“, dem perfekten Schlag in „Der Unbeugsame“, dem perfekten Angelwurf in „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“.

Michael Feeney Callan beschreibt in „Robert Redford“ (Droemer Verlag, 22.99 Euro) auf 750 Seiten faktensatt und zitatenreich Leben und Wirken des Rätselhaften. Die gutmütige Quintessenz hat er vorangestellt: Dieser Mann ist ein redlicher Romantiker auf der Suche nach dem verschwundenen Amerika, der heilen Natur, dem unkorrumpierten Menschen. Er hat in Utah, am Fuß eines Berges, schon in den 60er-Jahren Land gekauft und als früher Umweltschützer das „Sundance Resort“ gegründet; er lehnt Hollywood ab, als Ort und als Symbol: Als Jugendlicher trieb er sich in Westwood und Beverly Hills herum, brach in Häuser ein, übernachtete hier und da. Als reifer Mann gründete er das „Sundance Film Festival“ für unabhängige Filmemacher, in dessen Umfeld Seminare veranstaltet werden und aus dem viele später gefeierte Filme hervorgingen, am berühmtesten Steven Soderberghs „Sex, Lügen und Video“ (1989). In Peter Biskinds Buch „Down And Dirty Pictures“ wird Redford als egozentrischer, unzuverlässiger Mentor denunziert, dessen Geschäfte und Projekte ebenso undurchsichtig seien wie sein Wesen. Biskind ist der Sänger des New Hollywood, er liebt Hal Ashby, Dennis Hopper, Coppola, Scorsese und Friedkin. Redford hat mit keinem von ihnen gearbeitet und gehörte nicht zu der Hippie-Szene – seine Regisseure waren Michael Ritchie, George Roy Hill und vor allen Sydney Pollack, Leute, die vom Fernsehen kamen und ihre ersten Filme in den frühen 60er-Jahren gedreht hatten. Schon bald interessierte Redford sich für Drehbücher und gründete eine Produktionsfirma; bei „Schussfahrt“ arbeitete er 1968 mit dem Schriftsteller James Salter zusammen. Redford fing viel an und ließ viel liegen. Er war Regisseur bei nur sieben Filmen – gleich für den ersten, „Ordinary People“, bekam er 1981 den Regie-Oscar. Diese psychologisch überbordende Studie wird getragen von den Leistungen von Donald Sutherland, Judd Hirsch und dem jungen Timothy Hutton; Redford selbst spielt nicht mit.

Für Callans Buch stellte er Notizen und Tagebücher zur Verfügung und äußerte sich in langen Gesprächen; Wegbegleiter und Mitarbeiter finden vor allem Lob. Redfords erste Ehefrau Lola van Wagenen kommt nicht zu Wort; Kritik klingt selten an. Callan schildert immerhin die Arroganz, den Widerspruchsgeist und die Ziellosigkeit in Redfords Jugend, die magere Zeit im winterlichen Italien, als der Malstudent 1957 vor Kälte und Hunger fast verrückt wurde und angeblich eine Meditationstechnik entwickelte, die ihn den miserablen physischen Verhältnissen enthob.

Man erfährt viel über die Arbeit mit Sydney Pollack, die 1990 mit „Havanna“ so unrühmlich endete. Am Schluss des Films schaut der Glücksspieler Jack Weil übers Wasser, so wie Jay Gatsby (den Redford auch spielte) über den dunklen Sund zu der Villa am anderen Ufer blickt, in der er seine große Liebe vermutet. In zwei von Redfords Filmen – „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ und „Der Pferdeflüsterer“ – erhebt sich am Ende die Kamera zu einem Flug über die Landschaft und gibt den Blick frei auf eine Menschenleere, in der sich – im „Pferdeflüsterer“ – Kristin Scott Thomas‘ Auto langsam verliert: Die Geliebte fährt heim in die Zivilisation, während der letzte Cowboy mit zusammengekniffenen Augen und wundem Herzen in der Natur zurückbleibt.

Das ist der lebenslange Home Run des melancholischen Goldjungen Robert Redford.

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